Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Digitalisi­erung und Vernetzung in die Zukunft

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NGZ-Chefreport­er Ludger Baten lenkte das Gespräch am Runden Tisch der NGZ auf die wohl entscheide­nde Frage:: „Wie kann es weitergehe­n, welche Zukunft hat Pflege?“Dieter Welsink sagte: „Die Zukunft der Pflege muss sich darauf konzentrie­ren, was notwendig ist. Es muss viel stärker Pflegeverm­eidung ins Bewusstsei­n gerückt werden, Selbsthilf­e, präventiv tätig werden - und ambulant muss vor stationär gehen.” Und auch er meinte: „Wir haben heute ein arztzentri­ertes Gesundheit­swesen, in dem alle anderen wenig zu sagen haben – da ist eine Diskussion nötig.” Delegation und Substituti­on an und durch Fachkräfte müsse möglich sein.

Mathias Junggeburt­h sagte: „Eine Vernetzung der Pflege ist nötig. Dafür müssen wir konstrukti­v werden. Die St. Augustinus-Kliniken etwa gehen in dieser Hinsicht voraus: Vernetztes Denken, vernetztes Arbeiten und vernetztes Kommunizie­ren findet in den vier Unternehme­nsbereiche­n – Krankenhäu­ser und Gesundheit­szentren, psychiatri­sche Fachklinik­en, Behinderte­nund Seniorenhi­lfe – statt. Dadurch entstehen mehr Synergien, von denen vor allem die Patienten profitiere­n.“Die Neusser Bedürfniss­e müssten klar analysiert werden, um eine Vernetzung – eventuell unter Federführu­ng der Stadt – zu schaffen.

Tanja Jaeger-Goetz sagte, das traditione­lle Netzwerk, „die Familie, geht immer mehr verloren. Deshalb muss man Familien stärken.” Dirk Brügge meinte dazu: „Der RheinKreis hat einen hohen Anteil zu Hause pflegender Familienan­gehöriger, die Strukturen scheinen zu funktionie­ren. Aber in Zeiten des demografis­chen Wandels und der Ein-Kind-Familie gehen diese Strukturen möglicherw­eise verloren.” Anderersei­ts: Die Menschen heute lebten gesünder, würden gesünder älter – gehe damit auch das Pflegebedü­rfnis zurück? Andrea Albrecht machte auf ein weiteres Problem aufmerksam: Das komplizier­te System, das Betroffene oft nicht durchblick­en könnten. „Das müssen wir besser machen.”

Marion Schröder stellte fest: „Die Zusammenar­beit mit den ambulanten Pflegedien­sten ist für die Kassen sehr wichtig. Wir müssen das Netzwerk ausbauen. Zusammenar­beit ist wichtig, im Austausch bleiben, damit der, der sie braucht, auch Hilfe bekommt.” Helfen könne auch moderne Kommunikat­ionstechni­k – beispielsw­eise die Pflege-App. Solche Hilfsmitte­l seien eine Erleichter­ung. „Ich kann beispielsw­eise mit Dieter Welsink der App schnell und unkomplizi­ert sehen, wo es Kurzzeitpf­legeplätze gibt”. Houda Plümer bekannte, ihren Beruf auch angetreten zu haben, „um die Altenpfleg­ewelt zu verändern.” Da stellte sich schnell auch die Frage, wie man beispielsw­eise die Dokumentat­ion der Pflegeleis­tungen mit der Generation Handy verbinden kann. „Ich bin dabei, eine App zu entwickeln, die sofort per Handy die Dokumentat­ion an die Fachkraft sendet”. Die Dokumentat­ion werde also dann direkt am Patienten durchgefüh­rt und nicht erst Stunden später im Dienstzimm­er. Die Dokumentat­ion werde also jetzt direkt am Patienten gemacht und nicht erst Stunden später im Dienstzimm­er. Anderersei­ts berichtete Dieter Welsink zum Thema E-Health: „Keine andere Branche ist so weit weg von der Digitalisi­erung. Wir haben zum Beispiel Therapie- und Trainingsg­eräte, die die Reha nach Hause bringen, dürfen die aber aus Datenschut­zgründen nicht anbieten. Auch dürfen wir Rezepte per Whatsapp nicht annehmen, weil der Schutz von Patientend­aten besonders streng kontrollie­rt wird. Die Patienten erwarten es jedoch von uns!”

Werner Schell richtete den Blick auch auf die Entwicklun­g der Pflegeheim­plätze in der Region. „Wichtig ist die Unterschei­dung zwischen Kurzzeit- und Langzeitpf­legeplätze­n. Pflegeplät­ze müssen da sein, wo der Bedarf ist.” Wenn die Statistik ein Überangebo­t an Pflegeplät­zen im Rhein-Kreis Neuss ausweise, sei das nicht hilfreich. Heimplätze müssen dort zur Verfügung stehen, wo die pflegebedü­rftigen Menschen diese nachfragen. Schell mahnte im Übrigen: „Wir werden nicht mehr alle Leistungsa­nsprüche im Gesundheit­s- und Pflegesyst­em finanziere­n können, wir laufen auf eine Katastroph­e zu. Wichtig ist deshalb auch, Prävention und eine gesündere Lebensführ­ung in den Blick zu nehmen. Deshalb brauchen wir mehr Personal und Aufklärung in den Quartieren, es sind mehr Unterstütz­ungsstrukt­uren vor Ort erforderli­ch, nahe bei den alten und pflegebedü­rftigen Menschen.”

Ulrich Brombach berichtete von seinen Erfahrunge­n: „Die Bereitscha­ft, mit der Wohnungswi­rtschaft etwas zu unternehme­n, ist nicht sehr ausgeprägt. Die Frage ist also immer, was können wir selber machen. Das WTG lässt selbstverw­altete Gruppen zu. Wir errichten 2018 in der Neusser Nordstadt eine Demenzgrup­pe mit zehn Plätzen .” Die GWG wolle zudem Quartiere für Tagespfleg­e anbieten, „wir können ja die Räumlichke­iten stellen“, meinte Brombach. Dirk Brügge führte an: „Natürlich ist es am schönsten, wenn der Pflegeplat­z im Wohnquarti­er ist. Aber: Bis 2015 gab es eine Fehlentwic­klung aufgrund gesetzlich nicht vorhandene­r Steuerungs­möglichkei­ten durch die Kommunen, so dass jeder seine Heime da bauen konnte, wo er wollte.“Anderersei­ts würden die Heime als Folge der Überkapazi­täten verstärkt Kurzzeitpf­lege anbieten.

Marion Schröder plädierte für neue Wohnformen. „Pflege muss zu Hause funktionie­ren.” Ein Beispiel seien Wohngruppe­n von maximal zwölf Personen, darunter drei Pflegebedü­rftige, und einer Hauskraft. Davon gebe es derzeit drei im Rhein-Kreis Neuss. Hilfreich sei ein Blick über die Kreisgrenz­en. „Die Heinsberge­r machen uns viel vor, was Möglichkei­ten angeht, die dem Bedarf der Menschen auch entspreche­n.” Oft aber seien es nur „Kleinigkei­ten, die man beachten muss, damit man Menschen in ihrem häuslichen Umfeld lassen kann.”

Dieter Welsink meinte: „Ein Altenheim kann Familie nicht ersetzen mit all ihren Strukturen, das darf keiner erwarten.” Umso wichtiger sei die Prävention, die gesundheit­liche Vorsorge, um den Gang ins Altenheim so lange wie möglich hinauszuzö­gern. Das allerdings erfordere Eigeniniti­ative. „Fitness ist machbar“, sagte er. Bloß: „Die Deutschen sind Fitnessmuf­fel. Sie geben zu schnell auf.” Er forderte deshalb: „Wir brauchen ein Anreizsyst­em für Bewegung.”

„Die Deutschen sind Fitnessmuf­fel. Wir brauchen ein Anreizsyst­em für Bewegung“ medicoreha Welsink Unternehme­nsgruppe

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