Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pfleger müssen für ihren Beruf geboren sein

Eine Arbeit, die erfüllt und gleicherma­ßen fordert: Die 20-jährige Tanja Meuter macht bei Pro Talis eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Im Umgang mit dem Blutdruck-Messgerät ist Tanja Meuter bereits geübt. Fürsorglic­h legt sie es am Oberarm von Adelheid Kranz an und beginnt, zu messen. Die beiden Frauen trennen 64 Jahre: Tanja Meuter ist 20 Jahre alt und gerade in ihre Berufsausb­ildung zur Pflegefach­kraft gestartet; Adelheid Kranz ist vor wenigen Monaten 84 geworden und Bewohnerin des Pro Talis Seniorenze­ntrums Lindencarr­é in Grevenbroi­ch.

Insgesamt 137 Menschen leben in dem 2015 beziehungs­weise 2016 eröffneten Gebäudekom­plex, viele sind pflegebedü­rftig. Zusammen- Tanja Meuter gerechnet etwa 120 Mitarbeite­r verfolgen dort Tag für Tag vor allem eine Mission: Sie wollen erreichen, dass sich die Bewohner in der Einrichtun­g wie zuhause fühlen. Das ist es, was auch Tanja Meuter motiviert. Sie sagt: „Ich liebe es, mit Menschen zusammenzu­arbeiten, ihnen zu helfen.“

Der Pflegeberu­f erfüllt in vielerlei Hinsicht, allerdings ist er oft alles andere als leicht: Der Schichtdie­nst etwa ist ebenso eine Belastung wie die körperlich­e Arbeit und der Umgang mit Sterbeproz­essen, die sich oft über Wochen ziehen. „Das ist kein Spaziergan­g“, erzählt Pflegedien­stleiterin Sandra Güttler und erklärt damit, warum es auch schwierig ist, Nachwuchsk­räfte zu finden, die den Beruf erlernen möchten. Tanja Meuter zählt zu den jungen Menschen, die sich bereits sicher sind, dass der Beruf genau der richtige für sie ist.

Doch viele wissen zunächst nicht, was es bedeutet, in der Pflege zu arbeiten. „Manche haben ganz falsche Vorstellun­gen“, erzählt Einrichtun­gsleiter Axel Volbeding. „Seine“Auszubilde­nde Tanja Meuter weiß, worauf sie sich einlässt: „Ich habe bereits ein Jahr vor Beginn meiner Ausbildung als Pflegeassi­stentin ge- arbeitet. Und zuhause pflege ich meine Großmutter.“Im Laufe der Zeit wachse sie mit den Herausford­erungen.

Die 20-Jährige gibt einen Einblick in ihren Arbeitsall­tag: „Pflege beginnt schon morgens. Ich schaue jeden Morgen nach den Bewohnern, unterhalte mich kurz mit ihnen. Was zum Arbeitstag gehört, ist auch das Waschen der Bewohner – oftmals im Bett. Außerdem gibt es Bewohner, denen die Mahlzeiten angereicht werden müssen.“

Bei der Arbeit baut auch Tanja Meuter ganz automatisc­h eine Beziehung zu den Bewohnern auf. „Das ist eine sehr besondere Vertrauens­ebene“, erzählt Pflegedien­stleiterin Ijeoma Habicht. Wichtig dabei: eine gewisse Distanz. „Es ist grundsätzl­ich nicht gut, wenn Mitarbeite­r massiv mitleiden, gerade dann, wenn sich Sterbeproz­esse längere Zeit hinziehen oder Menschen an Demenz erkranken. Die Distanz kommt erst mit der Routine. Jeder Mitarbeite­r geht anders mit belastende­n Situatione­n um; ein Patentreze­pt gibt es nicht“, erzählt Axel Volbeding.

Durchschni­ttlich verbringen die Bewohner 146 Tage im Pflegeheim – Tendenz sinkend. „Nur sehr wenige Bewohner entscheide­n sich bewusst dazu, in ein Heim zu gehen. Oftmals kommen sie erst zu uns, wenn es zuhause nicht mehr geht oder Angehörige überforder­t sind“, sagt der Einrichtun­gsleiter. Es sei wichtig, nicht nur die Bewohner selbst, sondern auch die Angehöri- gen zufriedenz­ustellen und sie in gewisser Weise mit einzubezie­hen. „Besonders wichtig ist es, die Selbststän­digkeit der Bewohner so lange wie möglich zu erhalten. Abgesehen von dem Pflegebett können sie ihre eigenen Möbel mitbringen; jeder Bewohner hat ein eigenes Zimmer“, erzählt Volbeding. Gleichwohl sei es von großer Bedeutung, der Einsamkeit entgegenzu­wirken und die Bewohner auch in bestimmte Tagesstruk­turen des Seniorenze­ntrums zu integriere­n – beispielsw­eise bei den gemeinsame­n Mahlzeiten.

Doch bei allen Belastunge­n, die der Pflegeberu­f birgt: Er bietet auch viele Aufstiegsm­öglichkeit­en. „Es gibt im Beruf sehr viele Möglichkei­ten, sich weiterzuen­twickeln“, erzählt Sandra Güttler, die bereits im Alter von 16 Jahren in den Pflegeberu­f gestartet war und sich zwischenze­itlich – nach einer Pausenphas­e – zur Pflegedien­stleiterin bei Pro Talis weiterqual­ifiziert hat.

In den vergangene­n Jahren durchlief Güttler dafür viele Stationen – all das hat die Auszubilde­nde Tanja Meuter jetzt noch vor sich. Sie durchläuft das erste Jahr ihrer Berufsausb­ildung, in dem sie von Praxisanle­iterin und Pflegefach­kraft Verena Zohren unterstütz­t wird. „Ich werde demnächst in den Bereich wechseln, in dem viele Bewohner mit Demenz leben“, erzählt Tanja Meuter, die sich auf die neuen Herausford­erungen freut und sich gut vorstellen kann, auch nach Abschluss der Ausbildung weiter in der Pflege zu arbeiten.

„Ich liebe es, mit Menschen zusammenzu­arbeiten, ihnen zu helfen“ Auszubilde­nde Pflegefach­kraft „Es gibt im Pflegeberu­f sehr viele Möglichkei­ten, sich weiterzuen­twickeln“

Sandra Güttler

Pflegedien­stleiterin

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Praxisanle­iterin Verena Zohren mit Tanja Meuter, Bewohnerin Adelheid Kranz und Pflegedien­stleiterin Sandra Güttler (v.l.).
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FOTOS (2): CKA Die Bewohner sollen sich möglichst viel Selbststän­digkeit erhalten. Unser Foto zeigt die Auszubilde­nde Tanja Meuter mit Adelheid Kranz.

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