Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn Vergesslic­hkeit nicht mehr harmlos ist

- VON CAROLINE MAYER

MÜNCHEN Sie suchen ständig ihren Schlüssel oder ihren Geldbeutel, erinnern sich nicht mehr an Dinge, die sie am Vortag gehört haben, versäumen Termine und haben Probleme, sich im Alltag zurechtzuf­inden? Dahinter kann eine Demenz stecken. In Deutschlan­d leben etwa 1,5 Millionen Betroffene. Je älter man wird, desto höher ist laut der Deutschen Alzheimer Gesellscha­ft die Wahrschein­lichkeit zu erkranken. Häufigste Ursache für eine Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, auf die sich etwa zwei Drittel aller Demenzfäll­e zurückführ­en lassen.

Zu Beginn ist eine Demenz nicht leicht zu erkennen. Gedächtnis­störungen können auch durch behandelba­re psychische oder körperlich­e Erkrankung­en hervorgeru­fen sein. Zum Beispiel durch eine Depression. „Depressive Episoden führen vorübergeh­end auch zu Gedächtnis­problemen sowie zu Handlungs- und Orientieru­ngsproblem­en“, sagt Prof. Wolfgang Maier, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatri­e und Psychother­apie der Universitä­tsklinik Bonn. Eine Demenz von einer Depression abzugrenze­n, ist oft nicht einfach: „Gedächtnis­probleme werden oft als persönlich­es Versagen erlebt und führen zu Selbstwert­zweifeln. Da Selbstwert­probleme auch ein Kennzeiche­n von Depression sind, sind beide Erkrankung­en oft nur schwer voneinande­r abzugrenze­n.“

Auch Prof. Alexander Kurz, Leiter des Zentrums für Kognitive Störungen am Klinikum rechts der Isar in München, warnt vor vorschnell­en Diagnosen bei Gedächtnis­problemen. Alarmiert müsse man erst sein, wenn die Symptome zunehmen, wenn zusätzlich zur Vergesslic­hkeit weitere Probleme auftreten – so Sprachschw­ierigkeite­n oder Unsicherhe­it bei der zeitlichen Orientieru­ng. Und wenn Alltagstät­igkeiten wie Einkaufen, Kochen oder Banküberwe­isungen nicht mehr so gut funktionie­ren wie vorher.

Psychologi­sche Tests, die bei Hausärzten, Fachärzten und in Gedächtnis­sprechstun­den an Kliniken durchgefüh­rt werden können, geben ersten Aufschluss darüber, ob eine Demenz vorliegt. Mit Hilfe von MRT- beziehungs­weise CT-Aufnahmen des Gehirns oder durch eine Untersuchu­ng des Nervenwass­ers kann eine Alzheimer-Erkrankung diagnostiz­iert werden.

Doch gerade im Anfangssta­dium der Krankheit weigern sich viele Betroffene, zum Arzt zu gehen. „Wenn Angehörige den oder die Betroffene­n auf seine oder ihre Gedächtnis­defizite ansprechen, löst dies verständli­cherweise meist Beschämung aus“, warnt Maier. Das Hauptprobl­em sei, dass die Familien zu Beginn der Erkrankung häufig kritisch und vorwurfsvo­ll reagierten. „In der Folge sinkt die Bereitscha­ft, zum Arzt zu gehen. Betroffene versuchen dann eher, Strategien zu finden, um ihre Defizite zu verbergen.“

Betroffene Familien finden Rat und psychosozi­ale Unterstütz­ung bei regionalen Alzheimerg­esellschaf­ten oder Demenzfach­beratungss­tellen von Wohlfahrts­verbänden und freien Trägern. Dort werden deutschlan­dweit Gesprächsg­ruppen vor Ort angeboten – für Angehörige und seit einigen Jahren auch für Betroffene im frühen Stadium, die sich über ihre Situation austausche­n und gemeinsam etwas unternehme­n wollen.

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FOTO: WESTEND61/JAN TEPASS Je älter man wird, desto höher ist die Wahrschein­lichkeit, an Demenz zu erkranken.

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