Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Neuer Rekord beim „Preis der Chemiestadt“
DORMAGEN (-vk) Fechter sind keine Leichtathleten, deshalb gibt es bei ihnen selten Rekorde zu feiern. Vielleicht ist das der Grund, warum Olaf Kawald auf diesen Rekord besonders stolz ist: „Wir freuen uns, dass wir zum ersten Mal die 300er-Marke geknackt haben“, sagt der Fechtkoordinator des TSV Bayer Dormagen mit Blick auf das Junioren-Weltcupturnier im Säbelfechten, das am Samstag ab 9.45 Uhr im BayerSportcenter ausgetragen wird – die Finalkämpfe beginnen um 18.30 Uhr.
Das größte Turnier seiner Art war der seit 1975 ununterbrochen ausgetragene „Preis der Chemiestadt“schon seit ein paar Jahren. Für die 43. Auflage haben jetzt zum ersten Mal mehr als 300 Fechterinnen und Fechter gemeldet. Und das buchstäblich „aus aller Welt“: Erstmals sind auch Aktive aus Indien und Australien am Start. „Auf sie freuen wir uns besonders. Das zeigt, wie hoch die Anziehungskraft unseres Turniers rund um den Globus ist“, sagt Kawald.
Die Masse ist die eine Seite, die Klasse die andere. Dormagen sah schon immer ein Schaulaufen kommender Fechtstars. Selbst Olympiasieger wie Stanislav Pozdniakov (Atlanta 1996 (Sieger 1991), Aldo Mon- tano (Athen 2004, 3. 1997) und Aaron Szilagyi (London 2012, Rio 2016, Sieger 2006) standen hier schon auf der Planche. Diesmal heißen die Favoriten Konstantin Lokhanov (Russland) – der Vorjahressieger ist aktueller Junioren-Weltmeister und Nummer eins der Junioren-Weltrangliste – und Liza Pusztai. Die Ungarin führt ebenfalls die Weltrangliste an, knapp gefolgt von Vorjahressiegerin Olga Nikitina (Russland).
In die Fußstapfen der erfolgreichen Lokalmatadore zu treten – Nicolas Limbach gewann 2003, Benedikt Wagner 2009 und Richard Hübers 2010 – wird schwer für die Dormagener Junioren. Der letzte Podestplatz (2. Eduard Gert) liegt bereits drei Jahre zurück. Die besten Aussichten haben Raoul Bonah, Larissa Eifler und Liska Derkum sechs Hauptamtler hingen ab 1. Januar „in der Luft, wenn der Verein nicht zum wiederholten Male in die Bresche springen würde.“Soziale Verantwortung, sagt der 52-Jährige, der auch Fachbereichstrainer Säbel beim Deutschen Fechterbund ist, sähe anders aus.
Doch selbst wenn ein ungeahnter Geldsegen über dem Fechterbund niederginge, Problem Nummer drei könnte das gravierendste werden in den kommenden Jahren: „Die Kinder kommen schon müde zum Training, denen fällt es immer schwerer, sich nach so einem langen Schultag zu konzentrieren. Manche schlafen in den kurzen Trainingspausen ein“, hat Vilmos Szabo beobachtet. Wie sich daraus Nachfolger für Nicolas Limbach, Max Hartung und Co. entwickeln sollen, weiß keiner.
„Nach so einer goldenen Generation fällt man immer ein bisschen in ein Loch, das ist auch in anderen Sportarten so“, sagt Kawald. Der Knick wird kommen, wenn die Weltund Europameister der vergangenen Jahre nach den Olympischen Spielen 2020 abtreten. Rein fechterisch stünden potenzielle Nachfolger bereit: „Raoul Bonah, Domenik Koch, Lorenz Kempf – die können das“, ist Szabo überzeugt.
Die Frage, die auch der Bundestrainer nicht beantworten kann: Wollen sie? Und vor allem: Lassen ihnen die Rahmenbedingungen überhaupt eine Chance, sich aufs Fechten zu konzentrieren? In der Weltrangliste der Säbelteams hat sich der Iran bereits vor den Deutschen Fechterbund geschoben, Rumänien und Georgien folgen dicht auf. In anderen Sportarten ist das ähnlich. „Wenn Deutschland bei Olympischen Spielen im Medaillenspiegel weiter oben dabei sein möchte, muss sich ’was ändern“, sagt Olaf Kawald. Falls es dazu nicht schon zu spät ist.