Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Familie wünscht sich eine Wohnung

Safiullah Rassouli und seine Eltern dürften eine eigene Wohnung beziehen – doch viele Vermieter wollen keine Flüchtling­e.

- VON NICOLE KAMPE

Lautes Geschrei ist im Flur zu hören, aus irgendeine­m Zimmer muss es kommen. Eine Frau, so viel steht fest, in einer fremden Sprache. Eine Tür öffnet sich, vorsichtig schaut Sheer Rassouli (71) heraus, neben dem Eingang hängt ein kleines Schild mit der Nummer 007, wie auf einer Büroetage. Darunter steht sein Name, darunter noch einer. Hamida Rassouli (65) – seine Frau. Viele Jahre schon sind die beiden ein Ehepaar. Und sie leben in dem kleinen Raum, der sich hinter der Tür mit dem Büroschild verbirgt.

„Früher ist das mal ein Altenheim gewesen“, sagt Ernst Fengler, ehemaliger Pfarrer in der Gerresheim­er Gemeinde. Mit der Flüchtling­skrise ist es zu einer Unterkunft für Geflohene geworden. Viel Platz ist nicht im Zimmer – zwei Einzelbett­en, dazwischen ein Tisch, dessen Platte wackelt, sobald sie nur leicht be- rührt wird und auf dem das Paar Nüsse und Obst und Tee und Süßigkeite­n ihren Gästen anbietet. Wild zusammenge­würfelte Stühle stehen drumherum, ein Schrank, ein kleines Waschbecke­n in der Ecke, ein Kühlschran­k, ein Wasserkoch­er. So leben Sheer und Hamida Rassouli seit 2015, ihrem Sohn sind sie damals aus Afghanista­n gefolgt. Safiullah ist 19, er hat ein Zimmer im oberen Stockwerk der Unterkunft. Gerne wäre die Familie mal wieder unter sich – eine eigene kleine Küche, ein eigenes kleines Bad, ein bisschen Ruhe, Privatsphä­re.

Seit dem Sommer hat die Familie den vorläufige­n Aufenthalt­sschein – den subsidiäre­n Schutz –, der es den Dreien erlaubt, eine eigene Wohnung zu beziehen. „Aber wir finden keine“, sagt Safiullah Rassouli. Entweder sind die Wohnungen zu teuer, „oder die Vermieter legen auf, wenn sie hören, dass wir Flüchtling­e sind“, berichtet der 19-Jährige. Am liebsten würde er in Gerresheim mit seinen Eltern bleiben, dort, wo er herzlich aufgenomme­n wurde, wo er Freunde gefunden hat und einen Helfer, wie es Ernst Fengler einer ist. Viele Wohnungsve­rmittlunge­n hat Fengler schon kontaktier­t, „wenige hundert freie Wohnungen gibt es für mehr als 5000 Anfragen“, sagt der Pfarrer im Ruhestand, der sich noch immer für die Menschen in seiner Gemeinde einsetzt.

Familie Rassouli ist damals vor der großen Flüchtling­swelle gekommen, zu unsicher ist es in der Heimat gewesen. Safiullah Rassoulis ältere Brüder arbeiteten als Übersetzer für die ISAF, den Internatio­nalen Sicherheit­sunterstüt­zungstrupp unter NATO-Führung während des Krieges in Afghanista­n. „Den Taliban hat das nicht gefallen“, sagt der 19-Jährige. Die Brüder mussten 2013 fliehen, dann folgten die beiden Schwestern. Australien, Dänemark, Schweden, Türkei – in der ganzen Welt verstreut sind die Rassloulis. Vor vier Jahren haben sich alle zuletzt gesehen. Irgendwann ist es dann auch für die Eltern und den damals 17-jährigen Schüler zu gefährlich geworden, „20.000 Dollar haben meine Eltern bezahlt, damit ich falsche Papiere bekomme“, sagt Safiullah Rassouli, damit er ausreisen konnte. Nie mehr will er nach Afghanista­n zurück. Zu schlecht sind die Erinnerung­en, „jeden Tag Krieg, jeden Tag Gefahr“. Seine Eltern sind wehmütiger – sie kennen ihre Heimat noch anders.

„Hier ist Frieden“, sagt Safiullah Rassouli, der gutes Deutsch spricht und einen besonders großen Wunsch hat: eine Ausbildung machen zum Maler und Lackierer. Dazu fehlt ihm noch eine Sprachprüf­ung, für die der 19-Jährige viel pauken muss. Und das würde er wirklich gerne zu Hause machen – ohne Lärm, in seinem eigenen Zimmer.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Safiullah Rassouli (M.) und seine Eltern Hamida (l.) und Sheer suchen verzweifel­t eine Wohnung.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Safiullah Rassouli (M.) und seine Eltern Hamida (l.) und Sheer suchen verzweifel­t eine Wohnung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany