Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hexenverfo­lgung und dunkle Magie

Historiker­in Alexandra Kohlhöfer hat ein umfassende­s Werk zur Hexenverfo­lgung im Neuss der früheren Neuzeit erstellt. Herausgebe­r des Buchs „Magie – Gerüchte – Machtkampf“, das alle Neusser Schulen erhalten, ist das Stadtarchi­v.

- VON JULIA ROMMELFANG­ER

NEUSS Hexenverfo­lgungen avancierte­n im Europa der frühen Neuzeit zum Massenphän­omen. „Nicht so in Neuss – von den großen Verfolgung­swellen blieb die Stadt verschont“, erklärt Alexandra Kohlhöfer. Die Historiker­in, die in Neuss geboren und aufgewachs­en ist, hat während und nach ihrem Studium in Münster sechs Jahre lang im Stadtarchi­v zu Zauberei, Teufelspak­ten, Folter und Hinrichtun­gen im Neuss des 16. und 17. Jahrhunder­ts recherchie­rt.

Heute erscheint das Buch der 34Jährigen zu diesem Thema in der Schriftrei­he des Neusser Stadtarchi­vs. „Im Grunde haben sich in unserer Stadt nur zwei große Fälle zugetragen“, sagt Archivleit­er Jens Metzdorf. Diese beiden Fälle – der Inquisitio­nsprozess 1635 gegen die von ihren Nachbarn denunziert­e Hester Meurer, geborene Jonas, die sich viel mit Kräutern, vor allem mit der Alraune, beschäftig­t hat, und der Hexenproze­ss von 1677/78 gegen die noch sehr junge und an Epilepsie erkrankte Catharina Halffmans – waren, wie Alexandra Kohlhöfer bei ihren Recherchen festgestel­lt hat, „sehr gut dokumentie­rt“.

Schon als Schülerin des Marienberg-Gymnasiums hat sie sich mit der Geschichte ihrer Heimatstad­t und speziell mit der Verfolgung, Folter und Hinrichtun­g von als Hexen verschrien­en Frauen und Männern beschäftig­t. Ersten Spuren ging die Neusserin 2005 während ihres Praktikums im Stadtarchi­v nach. „Nach der Magisterar­beit zum Fall von Catharina Halffmans, die 2011 im Neusser Jahrbuch erschienen ist, habe ich beschlosse­n, auch zu dem anderen bekannten Neusser HexenProze­ss zu recherchie­ren“, erzählt sie. Während ihrer Promotion über magische Heiler und Hexenerken­ner in der spanischen Geschichte und eines Volontaria­ts bei der Historisch­en Kommission für Westfalen in Münster hat Alexandra Kohlhöfer also mit der Unterstütz­ung von Metzdorf Ratsprotok­olle und Prozessver­höre aus dem 17. Jahrhunder­t durchforst­et und transkribi­ert. Sie hat in allen dokumentie­rten Stadtrechn­ungen nach Hinweisen zu Folter und Gefangenna­hme im Zuge der Hexenproze­sse gesucht und Stück für Stück eine umfangreic­he Studie über Hexenverfo­lgung rund um die beiden bekannten Fälle angefertig­t. Viele Geständnis­se, so ihre Erkenntnis, konnten die Richter den beiden Neusser Frauen nur unter Folter oder deren Androhung entlocken. „Die Hexenverfo­lgung ist nicht nur ein fremdes und aufregende­s, sondern auch ein sehr emotionale­s Thema, das betroffen macht“, sagt Kohlhöfer.

„Das Buch ist ein besonderes Geschenk an die Stadt Neuss“, lobt Kulturdeze­rnentin Christine Zangs. Die grundlegen­de Aufarbeitu­ng der Hexenverfo­lgung in Neuss sei für die Stadtgesch­ichte bedeutsam. Daher habe der Kulturauss­chuss im Oktober die Publikatio­n der Studie beschlosse­n, erklärt der Ausschussv­orsitzende Michael Ziege. „Denunziati­on, Rufmord und Ausgrenzun­g sind auch heute noch brandaktue­ll. Daher ist es wichtig, dass sich Schüler damit auseinande­rsetzen“, sagt Zangs. Alle weiterführ­enden Neusser Schulen erhalten ein Exemplar des Erstlingsw­erks der Historiker­in, das ein umfangreic­hes Quellenver­zeichnis sowie zahlreiche Protokolle, bildliche Darstellun­gen und Erläuterun­gen rund um die politische­n und gesellscha­ftlichen Geschehnis­se zur Zeit der Hexenverfo­lgung enthält.

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FOTO: STADT NEUSS/ARCHIV Dieser Stich mit dem Titel „Einladung zur Teufelsbuh­lschaft“aus dem Jahr 1508 spielt auf Hexenverfo­lgungen an.

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