Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD stimmt für Gespräche mit Union

Martin Schulz wird mit passablem Ergebnis als Parteichef wiedergewä­hlt. Die NRW-SPD setzt einen Sonderpart­eitag durch, der über die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen entscheide­n soll.

- VON MARTIN KESSLER UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die SPD hat Martin Schulz erneut zu ihrem Parteivors­itzenden gewählt. Der 61-Jährige erhielt gestern Abend in Berlin 81,9 Prozent der Stimmen, nachdem der Parteitag kurz vorher Gesprächen mit der Union über eine Regierungs­bildung zugestimmt hatte.

Die SPD fühle sich „verpflicht­et, in Gesprächen auszuloten, ob und in welcher Form die SPD eine neue Bundesregi­erung mittragen kann“, heißt es in dem von den Delegierte­n mit großer Mehrheit beschlosse­nen Papier. Schulz hatte zuvor in seiner Grundsatzr­ede eindringli­ch für diese Linie geworben. „Wir haben eine Führungsve­rantwortun­g als Sozialdemo­kraten in Deutschlan­d“, sagte der SPD-Chef. Dann stellte er klar: „Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

Widerstand gegen eine mögliche große Koalition war vor allem von den Jungsozial­isten gekommen. „Wir brauchen uns von niemand in Sachen Verantwort­ung belehren lassen“, sagte der neue Juso-Chef Kevin Kühnert. Er forderte die Beibehaltu­ng des nach der Bundestags­wahl gefassten Beschlusse­s, in die Opposition zu gehen. „An den Fakten hat sich nichts geändert.“

Auch viele Delegierte des Parteitags äußerten sich überwiegen­d skeptisch zu einer möglichen Wiederaufl­age der großen Koalition. Von einer Vertrauens­krise in die Parteiführ­ung war immer wieder die Rede. Hilfe erhielt Schulz dagegen von führenden SPD-Politikern. „Die Lage hat sich geändert. Das können wir nicht ignorieren“, sagte etwa die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer unter Verweis auf das Scheitern der Jamaika-Sondierung­en.

Entschärft wurde der Streit schließlic­h durch einen Änderungsa­ntrag der NRW-SPD, der in den Leitantrag eingearbei­tet wurde. Danach wird es nach den Sondierung­en einen Sonderpart­eitag geben, der dann über die Aufnahme von Koalitions­gesprächen abstimmen soll. Zuvor hatte Schulz so deutlich wie nie zuvor die Verantwort­ung für die Niederlage seiner Partei für die Bundestags­wahl übernommen: „Ich bitte für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage um Entschuldi­gung“, sagte er. Zugleich warb Schulz engagiert für ergebnisof­fene Gespräche mit der Union.

Schulz machte dabei deutlich, dass es „verschiede­ne, gleichwert­ige Wege“gebe, um zu einer Regierungs­bildung in Deutschlan­d zu kommen. Der Leitantrag des Parteivors­tands stelle dabei eine Beschreibu­ng der unterschie­dlichen Optionen dar. In der Umweltpoli­tik setzte Schulz in Berlin neue Akzente. Man könne die Klimaziele nur mit einem Ende der Kohleverst­romung erreichen, sagte er. Das dürfe aber nicht auf Kosten der Beschäftig­ten geschehen. „Die Kohleparte­i SPD muss den Kohleausst­ieg nicht nur fordern, sie muss ihn jetzt auch umsetzen“, reagierte umgehend Fraktionsc­hefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt.

Sehr breiten Raum in Schulz’ Rede nahm die Europapoli­tik ein. Schulz forderte, die EU bis 2025 in die Vereinigte­n Staaten von Europa mit einem gemeinsame­n Verfassung­svertrag umzuwandel­n. Die EU-Mitglieder, die dieser föderalen Verfassung nicht zustimmen, müssten dann die EU verlassen, sagte Schulz. Zugleich lehnte er eine Fortführun­g eines strikten Sparkurses ab. „Vier weitere Jahre Europapoli­tik à la Wolfgang Schäuble kann sich unser Kontinent nicht leisten“, sagte Schulz. Bundeskanz­lerin Angela Merkel reagierte zurückhalt­end auf den Vorstoß, bezog aber nicht klar Stellung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany