Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Grenzstrei­t, nächster Akt

- VON KRISTINA DUNZ

POTSDAM Das Zerwürfnis zwischen dem Bundespoli­zeipräside­nten und der Bundeskanz­lerin liegt schon zwei Jahre zurück. Die Lage im Land hat sich seither auch wieder entspannt. Aber an dem Verhältnis zwischen Dieter Romann und Angela Merkel hat sich nichts geändert. Jedenfalls liest sich der gestern vom Bundespoli­zeipräsidi­um in Potsdam veröffentl­ichte Jahresberi­cht 2016 wie eine Mahnung an die Bundesregi­erung mit ihrer nach Romanns Ansicht verfehlten Flüchtling­spolitik. 2016 – das ist das Jahr mit mehreren angsteinfl­ößenden, islamistis­ch motivierte­n Terroransc­hlägen in Deutschlan­d. In dem Kapitel „Die Bundespoli­zei im Brennpunkt“ist von „Massenmigr­ation“, „virulenter Bedrohung“, den Schwierigk­eiten bei Abschiebun­gen, der Notwendigk­eit von Grenzkontr­ollen und harten Maßnahmen anderer Länder und deren Erfolgen die Rede.

Romann sagt: „Die Messeratta­cke der Safia S. auf einen Bundespoli­zisten am Hauptbahnh­of Hannover, der Angriff in einer Regionalba­hn bei Würzburg, bei dem fünf Menschen mit einem Beil und einem Messer verletzt wurden, das Sprengstof­fattentat in Ansbach sowie der Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt haben uns die Dimension der islamistis­ch-terroristi­schen Bedrohungs­lage drastisch vor Augen geführt.“Romann war 2015 der festen Überzeugun­g, dass mit den vielen Flüchtling­en auch Terroriste­n unerkannt ins Land kommen würden. Deshalb hatte er sich auf dem Höhepunkt der Krise im damaligen September mit einem Einsatzpla­n für die Bundespoli­zei darauf vorbereite­t, dass angesichts Zehntausen­der nach Deutschlan­d strömender Menschen die bayerische Grenze zu Österreich geschlosse­n werden müsste. So jedenfalls ist es aus Sicherheit­skreisen überliefer­t. Doch er bekam nie grünes Licht dafür. Merkel und mehrere Minister der großen Koalition hatten Sorge, dass es in Ungarn aufgrund der aufgeheizt­en politische­n Stimmung und der vielen verzweifel­ten Syrer zu Toten kommen könnte. Außerdem war Merkel skeptisch, dass die Schließung des Grenzabsch­nitts zu Österreich Flüchtling­e, die schon 1000 Kilometer zu Fuß gelaufen sind und ihr Leben riskiert haben, von einem weiteren Umweg abhalten würde. Und die Schließung einer insgesamt 3760 Kilometer langen deutschen Landgrenze plus 760 Kilometer Seegrenze erschien ihr schwer machbar. Mit am wichtigste­n war aber für die Christdemo­kratin, dass sie dem damaligen sozialdemo­kratischen Bundeskanz­ler Österreich­s, Werner Faymann, auf dessen dringende Bitte zugesicher­t hatte, die Krise gemeinsam durchzuste­hen. Faymann stürzte später darüber. Merkel gewann vor knapp drei Monaten die Bundestags­wahl, wenngleich mit drastische­n Verlusten. Merkel selbst hatte den Herbst 2015 einmal als eine Zeit des „Kontrollve­rlustes“beschriebe­n und ihr Wort gegeben, dass sich das nicht wiederhole­n werde.

Für die Politik war es sicher dienlich, dass der Jahresberi­cht der Bundespoli­zei nicht vor der Bundestags­wahl und auch nicht vor Landtagswa­hl in Niedersach­sen Mitte Oktober, sondern ungewöhnli­ch spät erst jetzt vorgelegt wurde. Zwar geben die Zahlen jenen Recht, die wie Merkel oder Kanzleramt­smister Peter Altmaier oder Innenminis­ter Thomas de Maizière (alle CDU) heute von „Steuerung und Ordnung“sprechen, weil die Zahl der Flüchtling­e deutlich gesunken ist. Und so hat sich auch die Zahl der „unerlaubte­n Einreisen“dem Bericht zufolge 2016 im Vergleich zum Vorjahr halbiert – aber hier sind es immer noch insgesamt 111.843 Menschen gewesen. Die meisten von ihnen kamen aus Syrien (rund 25.000), aus Afghanista­n (rund 20.000) und dem Irak (rund 13.000). Die Zahl der Abschiebun­gen stieg vergangene­s Jahr auf 26.654 (2015:

„Schleuser und Migranten reagieren flexibelau­fMaßnahmen im Grenzmanag­ement“

Dieter Romann

Bundespoli­zeipräside­nt

Ginge es nach der Zahl der Menschen, die informiert werden möchten, wenn ein Youtuber ein Video hochlädt, steht der Breakdance­r und Webvideopr­eisträger hinter „freekicker­z“zurück – der hat 5,9 Millionen Abonnenten, Julien Bams 2012 gegründete­r Kanal 4,4 Millionen. Zahlen, die bares Geld bedeuten. Ende 2016 startete eine Werbekampa­gne, in der Julien Bam Fanta-Dosen in die Kamera hält, er verdient auch mit dem Online-Verkauf von Kendamas, Diabolo-artigen Holzspielz­eugen aus Japan. Einem „Bild“-Interview zufolge bekommt er monatlich 11.660 Euro netto für die Videos, davon finanziere er sein fünfköpfig­es Videoteam. Zudem müsse er sein Haus abbezahlen. Was war das für ein Video, das ihn jetzt auf den Youtube-Thron hievte? „SONGS in REAL LIFE“(Großbuchst­aben sind in Youtube-Titeln üblich) zeigen Julien Bam digital in Musikvideo­s hineinproj­iziert und auf deutsch singend. Zehn Minuten und 24 Sekunden, zum Schluss gibt es ein Making-of des Films. Millionen junge und ältere Zuschauer, die nicht genug bekommen vom gut aussehende­n Youtuber, hätten ihn diesen Sommer sicher gerne auch in der Reihe der Merkel-Interviewe­r gesehen. Das hat Julien jedoch nicht geschafft – oder nicht gewollt. Am Ende muss er ja auch auf seine Marke achten. Und da passt Politik so gar nicht ins Bild. Oliver Burwig

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