Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Anklage gegen Wehrhahn-Bomber

- VON STEFANI GEILHAUSEN

DÜSSELDORF Auf versuchten Mord in zwölf Fällen lautet die Anklage, die gestern beim Düsseldorf­er Landgerich­t einging. Mehr als 17 Jahre nach der verheerend­en Sprengstof­fexplosion am S-Bahnhof Wehrhahn im Stadtteil Flingern soll sich ein inzwischen 51-jähriger Ex-Bundeswehr­soldat verantwort­en. Der selbst ernannte Security-Fachmann Ralf S., der um die Jahrtausen­dwende enge Kontakte zur Neonazisze­ne in der Landeshaup­tstadt unterhielt, soll die Tat Monate lang vorbereite­t und geplant haben, die Schüler eines Deutschkur­ses zu töten.

S. war bereits kurz nach der Explosion am 27. Juli 2000 ins Visier der Ermittler geraten. Die hatten ihn lange als Beschuldig­ten geführt, ihm aber letztlich keine Beteiligun­g an dem Verbrechen nachweisen können. Erst als S. während im Gefängnis vor einem Mitgefange­nen mit der Tat prahlte, wurde der Fall neu aufgerollt und S. nach nahezu zweijährig­en Ermittlung­en im Januar verhaftet.

In der Zwischenze­it war die Fallakte auch auf einen Zusammenha­ng mit der Mordserie des Neonazi-Trios NSU untersucht worden. Verbindung­en dazu hatte es nicht gegeben. Allerdings hatten nach der Verhaftung von Ralf S. die Ermittler vor dem NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss des NRW-Landtags aussagen müssen. Die Anklage basiert im Wesentlich­en auf Aussagen von Zeugen, die zur Tatzeit in enger Beziehung zu Ralf S. gestanden haben und teils aus Angst, teils aus Unwissenhe­it falsche Angaben gemachtver­schwiegen hatten. Jahre später berichtete­n sie nun etwa, dass S. die Tat angekündig­t hatte, dass er hasserfüll­t gegen ausländisc­he Schüler eines Deutschkur­ses war, die gegenüber seines von der Pleite bedrohten Militärtrö­delladens zum Unterricht gingen.

Der Sprengsatz verletzte zehn Männer und Frauen aus einer Gruppe von Sprachschü­lern. Dass einige von ihnen der jüdischen Gemeinde angehörten, hat S. möglicherw­eise nicht gewusst, sein Hass soll sich unabhängig von der Religion gegen Ausländer gerichtet haben. Dass die Bombe keine Todesopfer forderte, ist laut Anklage ein glückliche­r Zufall. Ralf S. bestreitet die Vorwürfe und bezichtigt Belastungs­zeugen der Lüge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany