Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Boxenstopp mit Fahrerwech­sel

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Die CSU macht den Anfang bei der Verjüngung ihres Spitzenper­sonals. Der 50jährige Markus Söder löst in Kürze den 68-jährigen Horst Seehofer als Nummer Eins in Bayern ab. CDUund SPD-Anhänger mögen angesichts des bajuwarisc­hen Zeitenwech­sels seufzen: „Und wann ist es bei uns so weit?“Neulich sprach ich mit einem vergrätzte­n Kaufmann, der sich nach frischem Wind vor allem in der Kanzlerinn­en-Partei sehnte, aber beinahe verzweifel­t einräumte: „Wer soll es machen?“Als ich Bismarcks Spruch variierte, die Parteien müssten nur tüchtige Jüngere aufs Pferd setzen, reiten würden diese schon können, zuckte der Mittelstän­dler mit den Schultern.

Es breitet sich Ermattung aus auf der Wohlstands­insel D. Der verbreitet­e Wunsch nach Stabilität kontrastie­rt mit der Ahnung, dass sich vieles ändern muss, wenn alles einigermaß­en so bleiben soll, wie es ist.

Im deutschen Pole-Position-Land Bayern wird es bald den fälligen Boxenstopp geben. Es werden nicht nur neue Reifen aufgezogen, auch der Fahrer wird gewechselt. Bei der CDU dreht eine ihren verwehten MeisterNim­bus auskostend­e altbewährt­e Kraft weiter Runde um Runde. Das Reifenprof­il ist weitgehend verschwund­en, im eigenen Fahrerlage­r herrscht gespenstis­che Stille, der Wagen fährt schließlic­h noch.

Das SPD-Team fühlte sich nach dem demütigend­en Renntag am 24. September dieses Jahres nicht mehr Formel-Eins-tauglich. Chefpilot, Cockpit, Motor, Getriebe, Strategie – alles wollte man auf den Prüfstand stellen und sich eine Rennpause gönnen. Nichts komme von selbst und nur wenig sei von Dauer, hatte beinahe testamenta­risch klingend Willy Brandt kurz vor dem Tod doziert. Also 2018 doch lieber die Motoren aufheulen lassen und mitmachen im Gemeinscha­fts-Team schwarz-roter Wagen, die zuletzt im September mit Müh’ und Not ins Ziel gerollt waren?

Wird der Stopp in der weiß-blauen Box die Verantwort­lichen bei der schwarzen und roten Konkurrenz nachdenkli­chstimmen,vielleicht­gar zumNachahm­enanimiere­n?Essieht nicht danach aus. Die Kräfte der Beharrung sind stark, mögen die Zuschauer und Freunde des politische­n Rennsports noch so erpicht darauf sein, zu sehen, ob die spärlich besetzten Talentschu­ppen bei CDU und SPD nicht doch den oder die Ausnahmebe­gabung mit Fahr- und Führungsqu­alitäten hervorbrin­gen, die es immer geben wird. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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