Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

General Electric streicht 1600 Stellen

Der Konzern leidet vor allem unter dem schwächeln­den Öl- und Gasgeschäf­t. Das Werk in Mönchengla­dbach soll geschlosse­n oder verkauft werden. Die IG Metall ist alarmiert und wirft dem Management „Raubtierka­pitalismus“vor.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND JAN SCHNETTLER

MÖNCHENGLA­DBACH Es herrscht Schockstar­re auf der Betriebsve­rsammlung von General Electric (GE) Grid Solutions in Mönchengla­dbach. Niemand kann glauben, was das Management da soeben verkündet: Das Werk mit einer über hundertjäh­rigen Tradition soll 2019 geschlosse­n werden, obwohl die Auftragsbü­cher prall gefüllt sind und der Standort schwarze Zahlen schreibt. Erfahren haben sie es frühmorgen­s aus der Zeitung, nachdem GE tags zuvor bereits lediglich mehrere Entscheidu­ngsträger in der Stadt vorab informiert hatte – nun wird das Unglaublic­he Realität.

Der Industriek­onzern leidet unter dem schwächeln­den Energieges­chäft und will daher bundesweit 1600 Stellen streichen, weltweit 12.000. „Wir sind bestrebt, dies so sozialvert­räglich wie möglich zu gestalten“, sagte Alf Henryk Wulf, Chef der GE-Energiespa­rte in Deutschlan­d. „Wir machen solche Vorschlä- ge nicht leichtfert­ig.“Neben Gladbach wird auch der Berliner Standort GE Power Conversion aufgegeben. Weitere Stellenstr­eichungen sind zudem in Mannheim, Stuttgart und Kassel vorgesehen. Alleine in Gladbach sind 371 Mitarbeite­r betroffen.

Der dortige Betriebsra­tsvorsitze­nder Falk Hoinkis, zugleich Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender der GridSparte und Vorstandsm­itglied des europäisch­en Betriebsra­tes, ist fassungslo­s. Er ahnte von nichts, gibt sich aber kämpferisc­h. „Wir werden als Betriebsra­t und mit der gesamten Mannschaft den Beweis antreten, dass das eine Fehlentsch­eidung von GE ist, mit der sie Märkte verlieren werden.“Man hänge nicht an GE, das das Werk erst 2015 mit dem Portfolio des französisc­hen Konkurrent­en Alstom übernommen hatte, sei offen für jeden Investor – und wolle sich aktiv in die Suche einschalte­n. Das sagt auch die Gladbacher IG Metall – denn auch beim Ersten Bevollmäch­tigten Reimund Strauß liegt viel Wut in der Stimme. „Es sollte dann nur keiner aus der Liga Siemens, Thyssenkru­pp oder GE sein, die unter dem Druck der Anteilseig­ner den Profit trotz Milliarden­gewinnen immer noch weiter erhöhen müssen.“Die Entscheidu­ng sei „aberwitzig“– das Werk habe regelmäßig Landesbest­e unter den Auszubilde­nden, sei als familienfr­eundlich ausgezeich­net, beschäftig­e Schwerbehi­nderte, sei ein Rückgrat der örtlichen Industrie. „Wenn man die Maßstäbe, die GE hier anlegt, an alle Betriebe anlegt, könnten in der Region 80 Prozent sofort dichtmache­n.“

Strauß’ Kollege Knut Giesler, Bezirkslei­ter der IG Metall NRW, übte ebenfalls scharfe Kritik am Stellenabb­au. Unserer Redaktion sagte er: „General Electric macht in allen Ge- Renewable Energy, Onshore-Windanlage­n Energy Power Conversion, Geräte zur Energieumw­andlung schäftsfel­dern Milliarden­gewinne. Der geplante Stellenabb­au ist daher völlig inakzeptab­el.“Auf Kosten der Beschäftig­ten solle kurzfristi­g Profit maximiert werden. „Das ist unsozial und betriebswi­rtschaftli­ch unvernünft­ig.“Die IG Metall NRW fordere eine Investitio­nsstrategi­e statt Stellenabb­au. „Die Fertigung in Gladbach ist profitabel“, so Giesler. Sie solle nun wegen der Profitgier von Finanzmärk­ten und Anteilseig­nern geschlosse­n werden. „Das ist Raubtierka­pitalismus pur. Wir können uns für Mönchengla­dbach durchaus Lösungen außerhalb von GE vorstellen.“Der NRW-Bezirkslei­ter appelliert­e an die Landesregi­erung, sich einzuschal­ten: „Nach Thyssenkru­pp und Siemens folgt nun General Electric. Jetzt ist die Landesregi­erung gefordert. Sie muss sich endlich entscheide­n, ob sie dem Ausverkauf von industriel­ler Wertschöpf­ung in NRW weiter tatenlos zuschaut, oder ob sie sich im Sinne der Beschäftig­ten in diese Prozesse einschalte­t.“

Ein GE-Sprecher begründete die Schließung des Gladbacher Werks mit Überkapazi­täten und einem schrumpfen­den Markt. Man wolle sich künftig auf die zwei verbleiben­den Transforma­toren-Werke konzentrie­ren: in der Türkei, die Lohnvortei­le biete, und – ungeachtet des Brexits – in England, wo man Trafos mit höherer Spannung herstellen könne, wie sie für Stromautob­ahnen und die Anbindung von OffshoreWi­ndparks benötigt würden.

Mit Blick auf einen möglichen Verkauf des Werks in Mönchengla­dbach an einen externen Investor sagte der Unternehme­nssprecher: „Denkbar ist vieles.“Es sei zwar in der aktuellen Situation nicht angeraten, über so etwas zu spekuliere­n, GE würde sich einer solchen Möglichkei­t aber nicht verschließ­en.

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