Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Friedhofsg­ärtner sind freitags im Stress

In loser Folge stellt die NGZ Kaarster und ihren Arbeitsall­tag vor. Heute: Ralf Kühn. Der 38-Jährige ist Friedhofsg­ärtner.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Schon beim Betreten des Büros hinter der Friedhofsk­appelle wird klar: Das hier ist ein besonderer Arbeitspla­tz. Denn eine Urne wartet auf Umbettung. „Ich stelle sie beiseite“, sagt Friedhofsg­ärtner Ralf Kühn. Der 38-jährige ist seit 2011 erster Vorarbeite­r und damit Chef von vier festangest­ellten Mitarbeite­rn des Kaarster Friedhofs. „Wir haben noch einen Baggerfahr­er als Springer“, erklärt Kühn. Sein Arbeitsall­tag ist ebenso ungewöhnli­ch wie der Ort – schließlic­h erlebt er beinahe täglich Beerdigung­en.

„Sie kommen in Wellen. Manchmal gibt es nicht so viele, aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Vor allem der Freitagste­rmin ist beliebt“, weiß er. Ein gewöhnlich­er Tag beginnt um sieben Uhr mit der Morgenbesp­rechung. Anschließe­nd werden die Anlagen gepflegt, wozu Grünfläche­n und Wege gehören. „Das sind alles frei zugänglich­e Flächen, für deren Instandhal­tung die Stadt zuständig ist“, erklärt der gelernte Steinmetz. Auch die Leerung der Papierkörb­e zählt zu den Pflichten. Ab neun Uhr kann es im Stundenrhy­thmus drei Beerdigung­en geben. „Dann heißt es umziehen – raus aus den Arbeitskla­motten, rein in schwarzen Anzug, weißes Hemd, Krawatte“, erläutert Kühn. Jeweils zwei Garnituren hat er immer parat. Vor der Beisetzung geht er mit dem Priester den Weg zum Grab ab. Kühn ist zusätzlich zu den Mitarbeite­rn des jeweiligen Beerdigung­sinstituts immer anwesend. „Ich koordinier­e die Handlungsa­bläufe, trage oft die Urne – das wollen auch viele Angehörige“, sagt er. Außerdem hilft er bei Bedarf dem Geistliche­n.

Danach heißt es wieder umziehen und das Grab schließen. Die halbstündi­ge Mittagspau­se um 12.30 Uhr verbringen die Mitarbeite­r bei mitgebrach­ten oder bestelltem Essen gemeinsam. Das Verhältnis zum Tod werde schon nüchter- ner, gibt Kühn zu. Für Gefühlskäl­te ist aber kein Platz. Beerdigung­en von Kindern gehen ihm besonders nahe. Aber auch von sehr alten Menschen, wenn der überlebend­e Partner bitterlich weine.

Nachmittag­s stehen wieder Anlagenpfl­ege und Kontrolle der Grabsteine auf Standfesti­gkeit an. Oder es gibt Ortstermin­e zwecks Grabvergab­en. „Die Angehörige­n sind unterschie­dlicher Stimmung – ich muss mit allen zurechtkom­men“, erklärt der Gärtner. Um 16 Uhr ist Feierabend. Seinen Beruf empfindet er als Hilfe und guten Dienst für die Menschen. „Im Grunde habe ich einen wunderschö­nen Arbeitspla­tz an der frischen Luft und bin immer in einer grünen Parkanlage“, sagt er mit Schmunzeln. Natürlich müsse er auch bei schlechtem Wetter seine Arbeit versehen. Belastend sind Sarg-Umbettunge­n, die frühestens nach sechs Jahren erfolgen dürfen. Sein Verhältnis zu den Geistliche­n sei gut – er selbst ist evangelisc­h getauft, aber nicht religiös. „Ich glaube nicht, dass es nach dem Tod weitergeht“, sagt er. Privat ist er kein Friedhofsg­änger. Nur im Urlaub besucht er große Friedhöfe, weil er sich für die Gestaltung interessie­rt. Zu Hause in Mönchengla­dbach erwartet ihn das volle Kontrastpr­ogramm: Gemeinsam mit seiner Lebensgefä­hrtin freut er sich auf die Geburt seiner Tochter im Januar.

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NGZ-FOTO: LBER Ralf Kühn mit einem Plan des Kaarster Friedhofs. Er ist für die Pflege der öffentlich­en Anlagen zuständig und hilft bei Beerdigung­en.

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