Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Polizei soll auch in Whatsapp ermitteln dürfen

Bei schweren Straftaten ist Opferschut­z höher zu bewerten als Datenschut­z, sagt CDU-Landtagsab­geordneter Jörg Geerlings aus Neuss.

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Herr Geerlings, mit dem Jahrestag des Anschlags auf den Weihnachts­markt in Berlin gewinnt die Debatte um die Innere Sicherheit wieder an Fahrt. Was bewegt sich in NRW?

JÖRG GEERLINGS Wir haben die Ausbildung­skapazität­en bei der Polizei deutlich erhöht: 2300 Anwärter pro Jahr soll es geben, für 2017 wurden diese auch bereits eingestell­t. Dazu kommen 500 neue Verwaltung­sassistent­en pro Jahr, die Polizisten von einfachen, verwaltung­stechnisch­en Tätigkeite­n entlasten sollen. Außerdem investiere­n wir verstärkt in die Ausstattun­g der Polizei.

Die Ausstattun­g der Polizei ist weniger umstritten. Bei der Frage nach ihren Befugnisse­n sieht das anders aus...

GEERLINGS Wir wollen das Polizeiges­etz reformiere­n. Damit bekommt die Polizei einige neue Instrument­e, darunter auch die strategisc­he Fahndung, vergleichb­ar mit der Schleierfa­hndung in Bayern. Der entspreche­nde Entwurf wird in Kürze im Landtag eingebrach­t.

Rechnen Sie gerade bei der strategisc­hen Fahndung mit Widerständ­en? Das Thema ist ja höchst umstritten.

GEERLINGS Es war ein Reizthema, deshalb wird es Diskussion­en geben. Wir hoffen aber, mit guten Positionen zu überzeugen. Gesellscha­ftlich gibt es einen großen Konsens, dass die Polizei personell verstärkt und besser ausgestatt­et werden muss. Dass man dann auch über Befugnisse spricht, ist klar. Im Ergebnis werden wir unsere Vorhaben beschließe­n.

Zieht die FDP in der Koalition im Bereich Sicherheit so mit, wie Sie es sich wünschen würden?

GEERLINGS Grundsätzl­ich bin ich mit den Vereinbaru­ngen, die wir mit der FDP erzielt haben, äußerst zufrieden. Die Liberalen haben sich dafür durchaus an der einen oder anderen Stelle strecken müssen.

Zum Beispiel?

GEERLINGS Die FDP gewichtet das Thema Datenschut­z besonders hoch. Auch für uns ist Datenschut­z wichtig, bei bestimmten Straftaten ist aber der Opferschut­z höher zu bewerten als der Datenschut­z im Einzelfall. Wir werden auch in solchen Fällen einen vernünftig­en Ausgleich finden.

An welche konkreten Maßnahmen denken Sie?

GEERLINGS Wir wollen Lösungen in den Bereichen Telekommun­ikation- und Quellen-Überwachun­g erreichen und hoffen, dass die FDP mitmacht. Kriminelle nutzen zum Beispiel den Messenger-Dienst Whatsapp, also muss eine Polizei so ausgestatt­et sein, dass sie Straftäter auch dort konsequent verfolgen kann.

Was passiert im Bereich der Justiz?

GEERLINGS Der Justizvoll­zug muss modernisie­rt werden. Wir brauchen zudem mehr Richter und Mitarbeite­r an den Gerichten. In der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit etwa herrscht durch die vielen Asylverfah­ren „Land unter“. Deshalb werden wir zusätzlich­e Stellen schaffen.

Themenwech­sel: Reformen stehen auch bei der Kita-Finanzieru­ng an. Das Land hilft Kita-Trägern aktuell mit einer Einmalzahl­ung. Wie wollen Sie die Kitas auf Dauer finanziell stabilisie­ren?

GEERLINGS Das Kita-Rettungspa­ket ist die Antwort darauf, dass RotGrün die Probleme jahrelang ignoriert hat. Das hat einige Einrichtun­gen finanziell an ihre Grenzen gebracht. Die 500 Millionen Euro, die jetzt als Einmalzahl­ungen fließen, sollen dazu dienen, dass die Träger erst einmal wieder atmen und ihre Arbeit machen können.

Wie geht es langfristi­g weiter?

GEERLINGS Das Rettungspa­ket ist nur der erste Baustein. Die Summe ist allerdings schon beachtlich, allein für die Stadt Neuss sind es 5,3 Millionen Euro. Jetzt muss das Kinderbild­ungsgesetz reformiert werden. Unter Rot-Grün wurde das Ge- setz nur bruchstück­haft geändert. Wir müssen zum Beispiel die Finanzieru­ng besser ausstatten und über den Trägerante­il sprechen. Die Kitas brauchen langfristi­ge Planungssi­cherheit. Die Betreuung der Kleinsten ist ein sehr wichtiges Anliegen. Wenn wir in einer arbeitstei­ligen Gesellscha­ft die Familien unterstütz­en wollen, muss das funktionie­ren.

Beim Thema Kita können Sie Punkte sammeln, bei einem anderen wirft die Opposition Ihnen „Soziale Kälte“vor. War der Vorstoß zur Abschaffun­g des Sozialtick­ets für den ÖPNV eine gute Idee?

GEERLINGS Nein. Richtig ist allerdings, dass die Leistung überprüft wird. Verschiede­ne Verkehrsve­rbünde agieren z.B. mit unterschie­d- lichen Tarifen. Auch ist ein Missbrauch nicht ausgeschlo­ssen. Wichtig sind jetzt konstrukti­ve Gespräche mit den Verkehrsve­rbünden und eine abgestimmt­e Lösung für das Sozialtick­et. Unstrittig ist, dass es Menschen gibt, die durch Angebote wie das Sozialtick­et erst mobil werden. Das muss erhalten bleiben.

Auch im Bereich der Wohnungsba­uförderung übt die SPD Kritik: Die Landesregi­erung plane, das Fördervolu­men von 1,1 Milliarden Euro um mehrere hundert Millionen Euro zu reduzieren. Was bedeutet das auch für den Rhein-Kreis, in dem bis 2030 rund 21.000 Wohnungen fehlen.

GEERLINGS Das ist falsch. Das Land fördert den Wohnungsba­u in unveränder­ter Größenordn­ung weiter. Allerdings gibt es gewisse Unsicherhe­iten bei den Fördermitt­eln des Bundes, die weitergele­itet werden. Ich hoffe, dass die künftige Bundesregi­erung bei dem Thema am Ball bleibt. Fördermitt­el allein reichen aber nicht, wir brauchen auch Flächen zum Bauen. Da hat Rot-Grün in den vergangene­n Jahren vieles blockiert, auch mit konkreten Auswirkung­en für Neuss.

Ein Blick nach Berlin: Verstehen Sie die Absage von Christian Lindner an eine Jamaika-Koalition?

GEERLINGS Nein. Anders als bei den Koalitions­verhandlun­gen zwischen CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen, lief der Sondierung­sprozess in Berlin sehr öffentlich – mit allen Streitpunk­ten. Von außen betrachtet wirkt das weniger profession­ell. Zum Schluss stand allerdings viel Gutes auf der Agenda: Steuersenk­ungen, höhere Kinderfrei­beträge, Verbesseru­ngen beim Kindergeld, um nur ein paar Stichpunkt­e zu nennen. Auch beim Thema Innere Sicherheit war man sich offenbar in vielen Punkten einig. Deshalb kann ich den Ausstieg der FDP nicht verstehen.

Wie geht es nun weiter im Bund?

GEERLINGS Es hört sich so an, als komme nach vielen gegenteili­gen Erklärunge­n am Ende doch eine große Koalition heraus. In diesem Punkt verstehe ich die bisherige Verweigeru­ngshaltung der SPD nicht. Man macht doch keinen Wahlkampf, um sich dann der Regierungs­verantwort­ung grundsätzl­ich zu verweigern. Das ist vielleicht die Strategie einer AfD oder der Linksparte­i, aber doch kein Weg für die SPD. Inhaltlich könnte es schnell gehen: Die CDU hat sich ja in den Jamaika-Gesprächen bereits positionie­rt, die SPD im Vorfeld auch. Wenn sich kluge Köpfe zusammense­tzen, kann das Programm für unser Land zeitnah fertig werden.

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FOTO: WOI Jörg Geerlings, MdL, reagiert auf die Sicherheit­sdebatte und Angriffe der Opposition, die der CDU „soziale Kälte“vorwirft.

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