Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die ungeliebte Grundsteuer
DÜSSELDORF Viele kennen sie nicht, und doch trifft sie alle: die Grundsteuer. Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden müssen sie bezahlen – und legen sie bei vermieteten Immobilien auf ihre Mieter um. Für die Kommunen bedeutet sie Milliarden-Einnahmen. Entsprechend gravierend sind die Folgen einer Reform. Dass diese überfällig ist, machte gestern das Bundesverfassungsgericht deutlich. Denn die Grundsteuer wird auf Basis von Einheitswerten berechnet – und die sind seit 1964 nicht mehr angepasst worden. „Zwischen 1964 und heute, da liegen Welten dazwischen“, kritisierte Verfassungsrichter Andreas Paulus in der mündlichen Verhandlung. Ein Urteil soll erst in ein paar Monaten fallen. Doch das Gericht machte bereits klar, dass es eine grundlegende Reform der Grundsteuer fordern wird. Die zentrale Frage wird nun sein, wie rasch und zu wessen Lasten die Berechnung umgestellt wird. Wie wichtig ist die Grundsteuer? Die Grundsteuer ist die zweitwichtigste direkte Einnahmequelle der Kommunen. Es gibt die Grundsteuer A, die auf landund forstwirtschaftliches Vermögen erhoben wird. Sie brachte 2016 rund 400 Millionen Euro. Wichtiger ist die Grundsteuer B, die auf bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude erhoben wird. Sie bescherte den Kommunen 14 Milliarden Euro. Darum hat die Frage, welche Änderungen die Richter verlangen, große Auswirkungen auf die künftigen finanziellen Spielräume vieler Städte und Gemeinden. Was kritisieren die Richter? Jede Kommune legt für sich fest, welchen Hebesatz sie anwendet. Damit werden die Einheitswerte der Immobilien multipliziert. Und die sind der Knackpunkt. Denn sie wurden schon 1964 für die alten Länder festgelegt, für die neuen Länder stammen sie sogar von 1935. Eigentlich sollen die Einheitswerte für die Millionen Immobilien alle sechs Jahre neu ermittelt werden. Doch das ist nie geschehen. Deshalb kann es sein, dass alte und neue Häuser in einer Stadt unterschiedlich besteuert werden, obwohl sie in vergleichbarer Lage sind. Willkürliche Unterschiede aber rufen die Richter auf den Plan. Schon der Bundesfinanzhof sah in den Einheitswerten deshalb einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und nannte die Regelung verfassungswidrig. Warum erfolgte keine Reform? Die Politik scheute den Schritt. Denn eine Neuberechnung der Einheitswerte ist zum einen sehr kompliziert, zum anderen drohen Verwerfungen. Vor allem in großen Städten, wo der Immobilienboom die Werte der Häuser stark erhöht hat, könnte es mit einer Reform teuer werden. Die Bundesregierung verteidigte in Karlsruhe das Ausbleiben der Reform damit, dass diese mit hohem Personalaufwand verbunden sei und das Steueraufkommen zugleich gering sei im Vergleich zu anderen Steuern. Das werden ihr die Richter nicht durchgehen lassen. Willkür dulden sie nicht, die Höhe der Steuer und der Aufwand ihrer Bemessung spielen keine Rolle. Das musste die Politik schon bei der Vermögensteuer erleben. 1995 kippte das Bundesverfassungsgericht diese Steuer – weil ihre Bemessung nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar war. Seit 1997 wird die Steuer nicht mehr erhoben und taucht nur in Wahlkämpfen als Debattenthema immer wieder auf. Wie geht es nun weiter? Wenn die Verfassungsrichter zu dem Schluss kommen, dass die Grundsteuer, genauer: die Regelung der Einheitswerte, verfassungswidrig ist, dürften sie der Politik eine Frist setzen, in der diese die Steuer reformieren muss. Möglicherweise gibt Karlsruhe auch konkrete Hinweise, in welche Richtung die Reform gehen soll. Schafft die Politik es nicht, diese fristgerecht auf den Weg zu bringen, könnte das Verfassungsgericht eine Aussetzung der Grundsteuer wie bei der Vermögensteuer verlangen. Das wäre für die Kommunen ein schwerer Schlag. Allein in Nordrhein-Westfalen geht es um die Sicherung von 3,5 Milliarden Euro, erinnert der Städte- und Gemeinde-