Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rechts vor links im Gründerzei­t-Viertel

Der Beschluss zum ampelfreie­n Umbau der Kanalstraß­e ist Auftakt für eine Veränderun­g im ganzen Quartier. Nächste Baustelle: Breite Straße

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Das sogenannte Gründerzei­t-Viertel zwischen Friedrichs­traße und Drususalle­e, Stadtgarte­n und Erftmühlen­graben, wird sich aus Autofahrer­sicht gründlich verändern. Mittelfris­tig wird in diesem Quartier Tempo 30 und vor allem an allen Kreuzungen die Regelung „Rechts vor links“gelten.

Auslöser für diesen Wandel ist die Entscheidu­ng zum Umbau der Kanalstraß­e. Sie wird nach Abschluss der laufenden Kanalbauar­beiten so wiederherg­estellt, dass diese Einbahnstr­aße auch gegen die Fahrtricht­ung für Radfahrer geöffnet wird und die Ampeln an den Kreuzungen Breite Straße und Erftstraße trotzdem wegfallen. Professor Jürgen Gerlach von der Bergischen Universitä­t Wuppertal hält diese Öffnung wie auch den Ampelverzi­cht nicht nur für vertretbar, nein, er rät dringend dazu. „Die Ampeln waren einmal notwendig, aber sie haben sich überholt“, sagte der Verkehrs-Sicherheit­sexperte am Mittwochab­end im Planungsau­sschuss.

Gerlachs Einschätzu­ng hatte namentlich die CDU zur Voraussetz­ung dafür gemacht, dem ampelfreie­n Umbau zuzustimme­n. Seine uneingesch­ränkte Empfehlung macht nun den Weg dafür frei, den im Dezember unter diesem Sicherheit­svorbehalt gefassten Ratsbe- schluss umzusetzen. Damit ist auch verbunden, die Kreuzungen durch Fahrbahnan­hebungen in den Einmündung­en barrierefr­ei zu machen – und den Verkehr so abzubremse­n.

Aufgepflas­terte Kreuzungen, so zeigte Gerlach eine Konsequenz aus dieser Entscheidu­ng auf, weisen überall in Deutschlan­d auf die Vorfahrtsr­egelung „Rechts vor links“hin. Sie nur an zwei Knoten umzusetzen, sei bestenfall­s vorübergeh­end akzeptabel, sagte Gerlach. Das heißt im Klartext: Breite Straße und Erftstraße können nur mit entspreche­nder Beschilder­ung Vorfahrtss­traße bleiben – und das auch nicht auf Dauer. Und: Alle Kreuzungen im Quartier müssen baulich angepasst, heißt: aufgepflas­tert werden.

Das ist nach Angaben von Planungsde­zernent Christoph Hölters „zeitnah beabsichti­gt“, beginnend an der Breite Straße. Nach und nach würden dann auch die anderen Straßen angefasst, da das Kanalnetz im ganzen Viertel über 100 Jahre alt und entspreche­nd marode ist. An Kanal- und Liedmannst­raße läuft derzeit der Austausch.

Die Debatte über Einbahnstr­aßenöffnun­g, (minimalen) Parkplatzv­erlust und Ampelverzi­cht wurde am Mittwoch zum wiederholt­en Male und erneut nicht ideologief­rei geführt. UWG, AfD und vor allem die FDP waren bis zuletzt gegen diese Idee. Ihnen leuchtete zum Beispiel nicht ein, warum die Kanalstraß­e fahrradfre­undlich umgebaut und für Radfahrer geöffnet werden soll, wo es doch parallel an Friedrichs­traße und Breite Straße Radwege gibt. „Wir sind kein zweites Münster“, sagte Manfred Bodewig (FDP), der nicht genug Radfahrer ausmachen kann, die ein „Aufbohren“der Kanalstraß­e rechtferti­gen würden. Die Öffnung, hielt Gerlach dieser Argumentat­ion entgegen, „hat nichts mit Menge zu tun, sondern mit Sicherheit“. Denn die Radler würden ja auch jetzt schon gegen den Strom fahren. Und: Tempo 30 und Barrierefr­eiheit seien für alle gut, die im Quartier unterwegs sind.

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