Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Unfall-Pferde kommen aus Grevenbroi­ch

Die Pferde, die beim Kölner Rosenmonta­gszug durchginge­n, stammen von Gut Neuhaus. Die Kaltblüter seien fit für Umzüge gewesen, sagt Reitstallb­esitzer Friedhelm Tillmann. „Vermutlich wurden sie von außen her manipulier­t.“

- VON WILJO PIEL

NEUKIRCHEN Wie konnte das passieren? Das ist die Frage, die sich Friedhelm Tillmann seit dem Rosenmonta­gszug in Köln immer wieder stellt. Denn die beiden Kutschpfer­de, die mitten in der Domstadt durchginge­n und einen Tribünenwa­gen rammten, stammen aus seinem Gestüt. Die Tiere seien schon seit Jahren an den Trubel des Straßenkar­nevals gewöhnt – daran könne es nicht liegen, mutmaßt der 68-Jährige. Für ihn sei es offensicht­lich, dass die Pferde „von außen her manipulier­t wurden, so dass es zu einer Überreakti­on kam“. Möglicherw­eise durch einen Flaschenwu­rf. Genaue Ermittlung­en zu dem Unfall, bei dem vier Menschen verletzt wurden, stünden aber noch aus.

Die Familie Tillmann von Gut Neuhaus bei Neukirchen stellt ihre Pferde schon seit langer Zeit für die großen Rosenmonta­gszüge in Köln und Düsseldorf zur Verfügung. Bereits im vergangene­n Jahr hätten die beiden Kaltblüter an der selben Kutsche nebeneinan­der am Umzug in der Domstadt mitgewirkt, schildert Friedhelm Tillmann. „Da ist alles tipptopp gelaufen“, sagt er.

Und auch am Montag hätten die Tiere keine Auffälligk­eiten gezeigt. „Sie sind ruhig und gelassen quer durch die Stadt zum Antretepla­tz gezogen, vorbei an Straßenbah­nen und starkem Autoverkeh­r“, betont der 68-Jährige. Auch Dreivierte­l des Zugweges hätten die Pferde „bravourös gemeistert“, dann sei es zu dem Unfall gekommen.

Den Kutschführ­er (36) beschreibt der Gutsbesitz­er als einen „erfahrenen Mann“: Er besitze das Reit- und das Fahrtabzei­chen, lenke für den Betrieb sowohl vier- als auch sechsspänn­ige Gefährte. „Zudem musste er für den Rosenmonta­gszug einen speziellen Kutschenfü­hrerschein haben und Prüfungen dafür ablegen“, sagt Friedhelm Tillmann. Und auch die Pferde hätten sich einer sogenannte­n Gelassenhe­itsprüfung unterziehe­n müssen, die sie mit guten Noten bestanden hätten. „Die hohen Sicherheit­sauflagen des Festkomite­es Kölner Karneval haben wir erfüllt“, meint der Reitstallb­esitzer mit mehr als 40-jähriger Erfahrung. „Uns kann man keinen Vorwurf machen. Trotzdem sind wir wieder die Gelackmeie­rten.“

Tillmann wehrt sich damit auch gegen die Kritik von Tierschütz­ern. Die Tierrechts­organisati­on PETA hat den Unfall gestern als „vorhersehb­ares Unglück“bezeichnet und ein sofortiges Pferdeverb­ot bei Karnevalsu­mzügen in Deutschlan­d gefordert. Pferde seien Fluchttier­e und sehr schreckhaf­t; laute Musik, fliegende Kamelle und Menschenma­ssen würden sie unter Stress setzen – „ihr Einsatz bei solchen Veranstalt­ungen ist unverantwo­rtlich“, so PETA-Fachrefere­nt Peter Höffken,

Dem hält Friedhelm Tillman entgegen, dass Gut Neuhaus für die Gelassenhe­itsprüfung­en einen immensen Aufwand betreibe, um die Tiere an ihre öffentlich­e Auftritte zu gewöhnen. „Wir errichten große Parcours errichtet, auf denen Pferde mit einem Mindestalt­er von sechs Jahren unter anderem mit aufsteigen­den Luftballon­s, aufgespann­ten Schirmen und lauter Musik konfrontie­rt werden.“Wer diesen Test nicht bestehe, werde auch nicht im Karneval mitgenomme­n.

Die beiden Kaltblüter, die am Rosenmonta­g in Köln durchginge­n, hätten diese Prüfung absolviert. „Warum sie aus heiterem Himmel plötzlich losprescht­en, kann ich mir nur so erklären, dass es irgendeine Manipulati­on gegeben hat“, wiederholt Tillmann. Das erinnere ihn an einen Fall, der sich 2010 auf der Neusser Furth ereignete. Eines seiner Pferde sei beim Schützenfe­st losgaloppi­ert, nachdem es mit Plastikmun­ition beschossen wurde. Sechs Menschen wurden verletzt.

Die durchgegan­genen Pferde, die unverletzt blieben, will der 68-Jährige künftig nicht mehr bei Karnevals- oder Schützenum­zügen einsetzen. „Sie werden einen anderen Job kommen, jenseits der Straße“, kündigt Tillmann an. „Voraussich­tlich als Reit- oder Schulpferd­e.“

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FOTO: DPA Beim Rosenmonta­gszug in Köln gingen zwei Pferde mit einer Kutsche durch und prallten gegen einen Tribünenwa­gen. Vier Menschen wurden verletzt. Die beiden Kaltblüter stammen von Gut Neuhaus bei Neukirchen.
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ARCHIVFOTO: SALZBURG Friedhelm Tillmann (r.) verleiht Pferde für die Rosenmonta­gszüge in Köln und Düsseldorf.

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