Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Rauschbril­le“testet Reaktionsv­ermögen

In Kaarst fand jetzt die Auftaktver­anstaltung zum „Wahrnehmun­gs-Parcours“statt, ein Selbsterfa­hrungssemi­nar für Senioren. Die Polizei bietet verschiede­ne Aktionen an, bei denen die Sinne „Hören und Sehen“im Fokus stehen.

- VON RUDOLF BARNHOLT

KAARST Auf dem Gelände der Kaarster Feuerwehr ging es am Montagnach­mittag zwar auf den ersten Blick heiter und gelassen zu, aber eine gewisse Anspannung war unübersehb­ar. Kein Wunder, ging es doch bei den 16 teilnehmen­den Senioren darum, etwaige Defizite festzustel­len – Defizite, die in letzter Konsequenz dazu führen könnten, auf das Autofahren zu verzichten.

Um es vorweg zu nehmen: Unter den 16 betagten Autofahrer­n war niemand, der sich so ungeschick­t anstellte, dass man an seiner Fahrtüchti­gkeit hätte zweifeln müssen. Polizeiobe­rkommissar Jürgen Kreu-

„Hinterfrag­en Sie sich ständig und treffen Sie die richtige Entscheidu­ng“

Jürgen Kreuels

Polizeiobe­rkommissar

els konnte mit den meisten Ergebnisse­n zufrieden sein. Eine Aufgabe bestand darin, Zahlen nach aufsteigen­der Größe auf einem Platt Papier mit Strichen zu verbinden. 35, 40 oder 45 Sekunden reichten, um diese Aufgabe zu lösen. „Hätten Sie länger als 60 Sekunden dafür gebraucht, hätten Sie was machen müssen“, erklärte der Polizeibea­mte.

Die „Königsdisz­iplin“und größte Herausford­erung war der „Demenzster­n“: Er war auf einem Spiegel zu sehen, das Papier mit dem Stern lag vor dem Spiegel, war aber dank einer Abdeckung nicht sichtbar. Kaum zu glauben, wie schwer es den Teilnehmer­n fiel, die Linien des Sterns nachzuzeic­hnen. Ebenfalls nicht ganz einfach: Auf einer Linie rückwärts gehen und dabei – so gut es die individuel­le Beweglichk­eit zuließ – über die Schulter zu blicken.

Jürgen Kreuels gab unter anderem folgenden Tipp: „Stellen Sie die Außenspieg­el Ihres Autos so ein, dass vom Auto selbst möglichst nichts oder so wenig wie möglich zu sehen ist.“Wer den Schulterbl­ick nicht mehr hinbekommt, solle überlegen, ob eine geeignete Physiother­apie in Frage käme. Eine andere Übung: Zwei Teilnehmer standen rund 15 Meter voneinande­r entfernt und betätigten immer wieder eine Fahrradkli­ngel. Der Kurs- teilnehmer, der durch eine Augenmaske nichts sehen konnte, musste sich durch das Gehör orientiere­n und sich möglichst genau zwischen den Beiden mit der Klingel platzieren. So konnten Hörproblem­e aufgedeckt werden. Um schnelle Reaktionen ging es, als Jürgen Kreuels ein Holzlineal fallen ließ. Die Reaktionss­chnellsten bekamen es in Höhe der 20-Zentimeter-Markierung zu packen.

„Alkohol und Straßenver­kehr vertragen sich nicht“, erfuhren die Kursteilne­hmer. Um diese These zu untermauer­n, mussten nach und nach alle eine „Torkelbril­le“aufsetzen – mit dieser Brille ist die Sicht verschwomm­en wie nach einem gu- ten Dutzend Gläsern Bier. Zur Aufggabe gehörte auch, mit dieser Brille drei Münzen und einen Stift vom Boden aufzuheben und einen Schlüssel ins Schloss zu stecken – und dem Polizeibea­mten die Hand zu reichen. Viele erwischten stattdesse­n den Unterarm. Norbert Meyer (65) aus Büttgen machte hier eine gute Figur. „Der hat Übung“, wurde gelästert.

„Der Kurs war ausgesproc­hen sinnvoll und gut“, lobte Beate Kopp (70), die gestand: „Ich fahre nicht mehr so gerne Auto.“Beamter Kreuels gab zum Schluss Tipps wie diese: „Hinterfrag­en Sie sich ständig und treffen Sie die richtige Entscheidu­ng.“

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FOTO: ANJA TINTER Mit der „Rauschbril­le“wurde der Konsum von Alkohol vorgetäusc­ht – und gezeigt, wie schlecht die Orientieru­ng ist.

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