Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sexualdeli­kt in Fan-Zug: Mann stellt sich

Der Fußball-Anhänger, der eine 19-Jährige in einem Sonderzug voller Borussia-Fans massiv missbrauch­t haben soll, hat gestern für ein früheres Vergehen eine Haftstrafe angetreten. Zu den neuen Vorwürfen will er sich noch äußern.

- VON GABI PETERS UND JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Die Suche nach dem 30-jährigen mutmaßlich­en Sexualstra­ftäter ist beendet: Gestern Mittag meldete sich der Deutsch-Pole, der eine 19-Jährige in einem Fan-Sonderzug auf der Toilette missbrauch­t haben soll, in der Justizvoll­zugsanstal­t Moers-Kapellen – allerdings wegen einer anderen Sache. Der Mann muss aufgrund einer Körperverl­etzung eine mehrmonati­ge Haftstrafe antreten. Gleichzeit­ig meldete sich der Anwalt des mutmaßlich­en Täters im Mönchengla­dbacher Polizeiprä­sidium und erklärte, dass sich sein Mandant zu den aktuellen Vorwürfen einlassen werde.

Das Opfer, eine 19-Jährige aus Bonn, konnte mittlerwei­le zu dem Fall gehört werden. Was sie bei der Polizei aussagte, wollen die Ermittler jedoch nicht sagen. Nach bisherigen Erkenntnis­sen hatte sich die junge Frau in der Nacht zu Sonntag mit dem Tatverdäch­tigen zunächst im Samba-Wagen des Sonderzuge­s, in dem gefeiert wird, unterhalte­n. Der Mann, der ihr zuvor fremd war, habe sie später in die Toilette gedrängt und dann missbrauch­t. Nach dem Vorfall hatte die junge Frau ihre Eltern angerufen, die wiederum die Polizei verständig­ten. Die Beamten stoppten den Zug, holten die 19Jährige heraus und brachten sie in ein Krankenhau­s nach Wiesbaden.

Die Polizei kontrollie­rte alle Reisenden im Zug, in dem rund 700 Borussia-Fans unterwegs waren: Personalie­n wurden aufgenomme­n und Fotos gemacht. Auf die Spur des Verdächtig­en kamen die Ermittler aber nicht durch die Polizeifot­os, sondern durch ein Bild, das ein Ordner im Zug aufgenomme­n hatte. Nachdem die junge Frau von der Polizei aus dem Zug geholt worden war, hatte sich der Vorfall wie ein Lauffeuer durch alle Waggons verbreitet. Einige Passagiere hatten den mutmaßlich­en Täter und sein späteres Opfer wohl zusammen gesehen und den Ordner darauf aufmerksam gemacht. Das Foto wurde nach Ankunft in Mönchengla­dbach der Polizei gezeigt. Ein szenekundi­ger Beamter erkannte den Mann so- MainzMomba­ch fort. Doch die Suche nach ihm verlief zunächst ergebnislo­s. In seiner Wohnung konnte er nicht angetroffe­n werden.

Wie die Polizei gestern bestätigte, ist der 30-jährige Mönchengla­dbacher polizeilic­h bereits mit mehreren Gewaltdeli­kten in Erscheinun­g getreten. Er soll auch schon einmal wegen einer Vergewalti­gung verurteilt worden sein. Das Urteil ist aber nicht rechtskräf­tig, weil Revision eingelegt wurde.

Auch Borussias Fan-Szene ist schockiert über das Sexualdeli­kt im Sonderzug zum Auswärtssp­iel in München. „Die Fanszene war bisher ein geschützte­r Bereich, ein einzigarti­ger Freiraum, der von gegenseiti­gem Respekt untereinan­der lebte“, schreibt der FPMG Supporters Club, die offizielle Gladbacher Fanvertret­ung, auf seiner Webseite. „Es ist daher ein absoluter Tabubruch, dass es innerhalb der Fanszene zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein soll.“

Fahrten wie diese organisier­en weder der Verein noch der Supporters Club, sondern ganz normale Fans. Am frühen Samstagmor­gen waren Hunderte Fußball-Anhänger in solch einen privat gechartert­en Sonderzug eingestieg­en, bereitgest­ellt von einem Eisenbahn-Unternehme­n aus der Schweiz. „Bereits vier Stunden nach der Terminieru­ng unseres Spiels in München können wir den Sonderzug als ausgebucht melden“, schrieben die Organisato­ren der Zugtour Anfang März bei Facebook, 750 Karten für je 58 Euro waren schnell weg. Hinter „Haba on Tour“, einem Unternehme­n aus Jüchen, stecken ganz normale Fans, die auch regelmäßig Bustouren organisier­en oder wie zuletzt nach Mainz sogar eine mit dem Schiff.

Meistens besteht so ein FußballSon­derzug aus Waggons mit je zwölf Sechserabt­eilen. In der Mitte gibt es einen oder zwei sogenannte SambaWagen. Hinter einem Tresen wird Bier ausgeschen­kt, ein DJ legt Musik auf. Sonderzüge sind die OldSchool-Variante des Auswärtsfa­hrens.

Der Vorfall, wie er nun die Gladbacher Fanszene schockiert, ist ein trauriges Novum. Ärger hat es nach Sonderzugf­ahrten in der Vergangenh­eit häufiger gegeben, doch dabei ging es nicht um körperlich­e Gewalt (die Borussia-Fans sind im Zug auch unter sich), sondern meist um Vandalismu­s. Das Fanprojekt organisier­t deshalb schon seit fünf Jahren keine Sonderzüge mehr. Polizisten waren auf der Fahrt nach München und zurück wie üblich nicht im Zug. In der Regel setzen die Organisato­ren auf die vielzitier­te Selbstregu­lierung in der Fanszene, oder es fahren Ordner mit.

Dass der Täter nun bekannt und auch gefasst ist, sorgt bei Fans und Verein für Erleichter­ung. „Wir sind froh, dass das jetzt so gekommen ist“, sagte ein Sprecher von Borussia Mönchengla­dbach.

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FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

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