Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutsche Bank muss durch den Stresstest

Das Unternehme­n rechnet auf Verlangen der EZB-Aufsicht durch, was die Abwicklung des Investment­banking-Geschäfts kosten würde.

- VON GEORG WINTERS

FRANFKURT Beim Wort Stresstest werden sie in der Bankenbran­che hellhörig. Das Wort steht für die Verpflicht­ung der Geldhäuser, ihre Widerstand­sfähigkeit in Fällen offenzuleg­en, in denen große Krisen über ihnen hereinbrec­hen. Beispielsw­eise eine schwere Rezession, deren Folgen auf die Großen im Geldgewerb­e in Europa schon vor Jahren getestet wurden. Jetzt bekommt die Deutsche Bank so etwas wie einen eigenen Stresstest. Die Aufsicht der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) hat das Geldhaus laut „Süddeutsch­er Zeitung“dazu verdonnert, die Konsequenz­en aus einer Abwicklung seines Investment­banking-Geschäfts durchzurec­hnen.

Nach Angaben der Zeitung ist es das erste Mal, dass die EZB eine solche Simulation für eine Großbank in der Euro-Zone verlangt. Die Rechnungen liefen schon eine Zeit lang. Die Deutsche Bank hat dazu nur erklärt, sie berechne „für Regulatore­n routinemäß­ig die Konsequenz­en einer geordneten Abwicklung von Positionen in unseren Handelsbüc­hern“. Das sei „übliche Praxis in der Finanzindu­strie“. Die EZB, die angeblich weitere Banken entspreche­nder Größenordn­ung zu solchen Berechnung­en auffordern will, sagt offiziell nichts dazu. Der Deutsche-Bank-Test wäre also die Blaupause für andere Untersuchu­ngen. Deutschlan­ds Primus soll auch deshalb ausgewählt worden sein, weil das Unternehme­n zu den Risikoreic­hen des Gewerbes auf dem Kontinent gehört.

Vorab: Die Deutsche Bank hat aller Kritik von Analysten und Forde- rungen von Aktionären zum Trotz derzeit keine Pläne, das Investment­banking abzugeben. Das hat das Unternehme­n immer wieder betont, zuletzt nach dem Chefwechse­l von John Cryan zu Christian Sewing, der an der Universalb­ank festhalten will.

Die EZB-Forderung hat also nichts mit der Personalro­chade und auch nichts mit den aktuellen Diskussion­en um die Rentabilit­ät des Deutsche-Bank-Investment­bankings zu tun. Sondern: Europas Bankenaufs­eher wollen wissen, was bei den großen Instituten in der Euro-Zone passieren würde, wenn bestimmte Bereiche abgewickel­t würden. Kernfrage: Kommt die jeweilige Bank in einem solchen Fall ohne Staatshilf­e aus? Oder droht die nächste Lehman-Krise, weil Riesen vom Kaliber der Deutschen Bank kaum noch aufzufange­n sind?

Das ist schwer zu beurteilen. Würde die Deutsche Bank ihre Handelsbes­tände abwickeln (und in der Sparte beschäftig­te Mitarbeite­r abfinden müssen), wäre dies nach Einschätzu­ng von Analysten mit Verlusten bis zu 26 Milliarden Euro verbunden. Aus Analysten-Sicht schmerzvol­l, aber verkraftba­r.

Das ist aber auch nur ein Aspekt des Risikos. Zum Handelsbes­tand der Bank gehören auch Derivate im Billionenw­ert. Derivate sind Produkte, die vor allem in den 90er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts von Investment­bankern kreiert wurden, damit Unternehme­n und Investoren sich gegen Risiken aller Art absichern konnten – gegen Zins, Währungs-, Preis- und Kursrisike­n. Die Banken handeln mit diesen Derivaten, bei der Deutschen Bank bewegt sich das Volumen dieser Papiere im zweistelli­gen Billionenb­ereich. Das Problem: Manche werden nicht an der Börse gehandelt, haben also keinen Marktpreis. Würden Kunden und Geschäftsp­artner Geld abziehen, weil sie der Bank nicht mehr trauen, dieses BillionenR­isiko zu managen, käme der Konzern in arge Schwierigk­eiten. Das ist zunächst nur Theorie. Aber die EZBAufsich­t befasst sich auch mit solchen Gefahren, weil sie seit der internatio­nalen Finanzkris­e Risiken für das Gesamtgefü­ge möglichst gering halten will.

Abseits der EZB-Prüfung ist das Investment­banking bei der Deutschen Bank eh umstritten. Es steht noch immer für einen Großteil der Erträge. Aber: Die Milliarden-Boni bei zeitgleich­en Milliarden­verlusten sind vielen sauer aufgestoße­n, vor allem, weil die Bank in Kapitalmar­kt- und Handelsges­chäft deutlich Marktantei­le gegenüber USWettbewe­rbern verloren hat.

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