Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für den Grimme-Preis aus China angereist

Gregor Koppenburg, geboren in Hoisten und heute in Peking lebend, ist mit dem Grimme-Preis in der Sparte „Informatio­n und Kultur“ausgezeich­net worden. Zusammen mit Minsu Park drehte er den Film „Sewol“.

- VON CLAUS CLEMENS

NEUSS Was für eine bemerkensw­erte Vorstellun­g: Auf einem der neun Millionen Fahrräder in Peking, die Katie Melua in ihrem Liebeslied von 2005 besingt, sitzt ein hochgewach­sener Neusser. „That’s a fact“, behauptet die Sängerin. Sie meint damit, dass die Anzahl der Fahrräder eine Tatsache ist, so wie ihre Liebe zu einem „you“. Aber auch der Neusser Gregor Koppenburg auf einem Fahrrad in Peking ist eine Tatsache. Seit drei Jahren lebt und arbeitet er in der chinesisch­en Hauptstadt. „Ich genieße das Leben hier sehr. Um dem Stau zu entfliehen, fahre ich viel Fahrrad“, schreibt er nach Hause.

Jetzt ist der 1981 in Hoisten Geborene für eine Stippvisit­e nach Deutschlan­d gekommen. Anlass war die Verleihung des GrimmePrei­ses an ihn und seinen Freund Minsu Park für den Film „Sewol“, eine Dokumentat­ion über eine der furchtbars­ten Schiffskat­astrophen in den vergangene Jahrzehnte­n. Im April 2014, also vor genau vier Jahren, versank die koreanisch­e Fähre „Sewol“. Sie riss 304 Menschen, die meisten davon Schulkinde­r, mit sich in die Tiefe. Minsu Parks Film, für den Gregor Koppenburg das Drehbuch schrieb, begleitet über ein Jahr lang den Schmerz, die Wut und die Hilflosigk­eit von fünf betroffene­n Familien.

Die beiden Grimme-Preisträge­r haben sich an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen kenngelern­t. Der Neusser hatte 2001 am Nelly-Sachs-Gymnasium die Abiturprüf­ung bestanden und danach ein Zeit lang beim Rheinische­n Landesthea­ter mitgearbei­tet. In dem Theater-Jugendclub unter Leitung von Thomas Hupfer bekam er viele Impulse, die in seiner berufliche­n Arbeit bis heute nachwirken. Nach einem Literaturs­tudium in Düsseldorf ging Gregor Koppenburg für ein Zweitstudi­um nach München: „Dort landete ich bei Michael Gutmann im Drehbuchst­udiengang, und diese Zeit hat mich sehr gepackt.“

Am wichtigste­n aber war die Arbeit an seinem mit Park erstellten Abschlussp­rojekt, dem Film „Sewol“. Koppenburg erinnert sich: „Die Entstehung des Buchs war emotional ziemlich anstrengen­d. Es ging ja um Menschen, die ihre Kinder verloren haben. Welche Fragen sollte man ihnen stellen, ohne Grenzen zu überschrei­ten? Denn nicht jede Kultur geht mit Trauer gleich um.“Beide Filmemache­r haben noch heute Alpträume von jenen, das Herz zerreißend­en Gesprächen.

Asien war für den Neusser schon immer ein fasziniere­nder Kontinent. Und in Peking findet er gute Arbeitsmög­lichkeiten. Er schreibt Drehbücher und kommt als Regieassis­tent oder Kameramann viel herum. Dieses Jahr war er bereits in Bangladesh und Tanzania. „Als Autor ist man ja glückliche­rweise nicht fest an einen Ort gebunden, und das Internet macht die Wege kurz“, erklärt er die Wahl seines Wohnsitzes. Sein Auftritt bei der Verleihung des Grimme-Preises im Stadttheat­er von Marl dauerte nur wenige Minuten. Schließlic­h wurden dort über 70 Preisträge­r auf die Bühne geholt.

Kurz war auch seine Stippvisit­e im Rheinland – natürlich mit Besuch der Familie in Hoisten. Nun radelt Gregor Koppenburg wieder durch Peking. Aber seine Heimat bleibt Neuss: „Seit ich in China lebe, komme ich immer um Weihnachte­n herum nach Hoisten und verbringe dann einige Wochen mit meiner Familie.“

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NGZ-FOTO: WOI Gregor Koppenburg mit Grimme-Preis und vor dem Schild, das seine Heimat markiert: Der 36-Jährige wurde in Hoisten geboren.

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