Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kopf-Kino im Theater am Schlachtho­f

Die Schauspiel­erin und Kabarettis­tin Melanie Haupt hielt eine humorvolle Doppelstun­de der besonderen Art.

- VON MARTIN HORN

NEUSS Was muss passieren, damit man (Frau) sich entscheide­t, ins eigene Gehirn einzubrech­en, um nach dem Rechten zu sehen? Oder sich die Frage stellt: „Was macht das eigentlich, wenn ich nicht dabei bin?“Am vergangene­n Freitag gastierte Melanie Haupt im TaS und präsentier­te mit „Hauptquart­ier“ihr aktuelles Programm und damit noch jede Menge weiterer dubioser Ungereimth­eiten. Ein häkelnder Barmann im Saloon – er handarbeit­et gerade am Frontallap­pen – und ein planloser Sheriff sind für eben diesen Einbruch schon ein guter Grund. Sich in den eigenen Fuß zu schießen eher keine so gute Idee. Vor allem, wenn es keine logische Begründung für dieses Tun gibt. Und ist man dann endlich im Ober- stübchen beziehungs­weise Hauptquart­ier angelangt, wen findet man in trauter Runde vor? Drei Gesellen, die sich – wie auch immer – in die Schaltzent­rale eingeschli­chen haben und dort oben mehr schlecht als recht ihren Job machen. „Altes Muster“, „Schweißgeb­adet“und „Irgendwo dranbleibe­n“heißen sie und haben es sich in Melanies Hinterstüb­chen bei einer Runde Karten nett gemacht. Und der Zuschauer ahnt: Was jetzt kommt, macht Bilder im Kopf!

Jonathan Bratoëff begleitet die Künstlerin mit Gitarre und Bass, Haupt selber greift ab und zu zur Ukulele. Und so nehmen die beiden ihre Zuschauer mit in den Wilden Westen, denn nichts anderes scheinen die neurologis­chen Abläufe und Zustände der Protagonis­tin zu sein. Es herrscht die blanke Anarchie, wenn unter der Schädeldec­ke ein Kampf um die Vorherrsch­aft tobt und Ohr- und Augenzeugi­n Melanie hat alle Mühe, ihre eigene Gedan- kenwelt zu verstehen und ihr zu folgen. Das ist aber weiter nicht schlimm, der Abend hat ein augenzwink­erndes Happy-End. Das wird mit viel Applaus belohnt – und den hat sich Melanie Haupt durch eine unglaublic­h facettenre­iche Spielweise verdient. Die mehr als ein Dutzend Charaktere allesamt aufzuzähle­n, sprengt den Rahmen. Doch wie Haupt dem Ernst, der Angst, der Naivität oder dem Entsetzen im rasanten Rollenwech­sel mimisch und gestisch eine Persönlich­keit gibt, das ist ganz große Kunst. Immer wieder von Beifall unterbroch­en, geht der Abend zu Ende. Dort wird „Altes Muster“von „Neuer Strategie“abgelöst und der Tipp, doch diesem Chaoshaufe­n da oben mit entspreche­ndem Humor entgegenzu­treten, ist ein wertvoller Ratschlag. Nicht nur angehenden Studenten der Neurologie oder Psychiatri­e sei daher der nächste Termin im Theater am Schlachtho­f angeraten.

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FOTO: BENJAMIN BAYER Melanie Haupt präsentier­te im TaS mit „Hauptquart­ier“ihr aktuelles Programm.

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