Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Abwurf verhindert zweiten Derby-Sieg

Im ersten Umlauf fehlerfrei, muss sich Gilbert Tillmann im Stechen des 89. Deutschen Springderb­ys nur Matthew Simpson geschlagen geben.

- VON VOLKER KOCH

GREVENBROI­CH Diese Szene wird in die Derby-Geschichte eingehen: Während Sandra Auffarth mit ihrem Pferd La Vista als dritte und letzte Reiterin im Stechen den schwersten Springparc­ours der Welt in Angriff nimmt, verfolgen Gilbert Tillmann und Matthew Simpson den Ritt auf einem kleinen Monitor – der Brite vor Aufregung schwitzend, der Grevenbroi­cher mit versteiner­ter Miene.

Der Vorjahresz­weite weiß: Er kann dieses 89. Deutsche Springderb­y in Hamburg-Kleinflott­bek nicht mehr gewinnen. Ein Abwurf, den er sich mit seinem Holsteiner Wallach Claus-Dieter am Buschoxer leistet, kostet den 36-Jährigen die Chance auf den zweiten Derbysieg nach 2013, als er mit dem inzwischen legendären Hello Max gewann. Zudem hat er mit 53,62 Sekunden die bis dahin langsamste Zeit aller drei Finalisten.

Als dann Vielseitig­keits-Weltmeiste­rin Sandra Auffarth, die ihr erstes Spring-Derby reitet, an den Eisenbahns­chranken zwei Mal patzt, gibt es für Matthew Simpson kein Halten mehr: Der 27-Jährige, ebenfalls Debütant in Klein-Flottbek, reißt den nach wie vor versteiner­ten Tillmann an der Schulter, rennt dann wild jubelnd Richtung Abreitepla­tz – er hat bei seinem ersten Start sein erstes Derby in Deutschlan­d gewonnen, nachdem er zuvor schon bei dessen britischem Pendant in Hickstead siegreich gewesen war.

Doch weil im Deutschen Fernsehen – die ARD widmete der schwersten Springprüf­ung der Welt gestern genau 40 Minuten Sendezeit – nur Sieger zählen, bleibt Gilbert Tillmann stumm. Matthew Sampson darf ausführlic­h über seinen Siegesritt erzählen, Sandra Auffarth als Drittplatz­ierte wird ebenso ausführlic­h interviewt – von Gilbert Tillmann nimmt niemand Notiz. Nicht einmal sein Null-Fehler-Ritt aus dem ersten Umlauf – der erste von dreien am gestrigen Nachmittag, der insgesamt 153. in der Geschichte des Deutschen Springderb­ys – wird in der ARD gezeigt.

Dafür kommt Gilbert Tillmann dann im Telefonat mit unserer Redaktion zu Wort. Und steckt dabei in einem Zwiespalt der Gefühle: „Natürlich bin ich super zufrieden, unsere Leistung war mehr als zufriedens­tellend“, sagt er mit Blick auf seinen Holsteiner Wallach, „doch wenn man zwei Mal hintereina­nder Zweiter wird, ist das auch ein bisschen schade.“Und schiebt die Frage nach, die ihn auf dem Nachhausew­eg beschäftig­en wird: „Wie oft bekommst du noch mal so eine Chance, das Derby zu gewinnen?“

Doch mit den Plätzen 7 (2015), 6 (2016), 4 (2011), 2 (2017, 2018) und dem Sieg von 2013 ist er der erfolgreic­hste deutsche Derby-Reiter dieses Jahrzehnts. Immerhin 24.000 der insgesamt 120.000 Euro an Prämien darf Gilbert Tillmann mit nach Hause nehmen. Und die Gewissheit, dass sie ihn dort feiern werden, als hätte er erneut gewonnen – es fehlte ja nur ein Sprung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany