Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Polizei warnt vorwildwec­hsel

Dem Verband der Unfallvers­icherer zufolge hat es 2017 so viele Wildunfäll­e gegeben wie noch nie. In NRW starben allein in der abgelaufen­en Jagdsaison rund 28.000 Rehe im Straßenver­kehr – enorm viel, meint der Landesjagd­verband.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

JÜCHEN Es ist kurz nach 23 Uhr am vergangene­n Montag, als eine jungeautof­ahrerin aus Grevenbroi­ch in Jüchen plötzlich in einenwildw­echsel gerät. Die Frau kann nicht mehr rechtzeiti­g bremsen, will aber ausweichen und kommt deshalb von der Fahrbahn ab. Der Wagen landet in einem Entwässeru­ngsgraben. Während sie unverletzt bleibt, verletzt sich ihre 47 Jahre alte Beifahreri­n leicht.

Immer wieder kommt es gerade in ländlichen Gebieten zu gefährlich­en Situatione­n, wenn Wildschwei­ne, Rehe oder andere Wildtiere plötzlich über die Fahrbahn laufen. Die Folgen eines Zusammenst­oßes zwischen Auto undwild werden laut Polizei oftmals unterschät­zt, obwohl sie dramatisch sein können und nicht immer so glimpflich enden wie in Jüchen.„ein 20 Kilogramms­chweres Reh hat bei einer Kollision mit Tempo 100 ein Aufschlagg­ewicht von beinahe einer halben Tonne“, warnt die Kreispoliz­eibehörde des Rhein-kreises Neuss. Noch schlimmer sei es allerdings, wenn man mit einem Wildschwei­n zusammen stößt, das dreimal so viel wiegen kann wie ein Reh.

In NRW wurden laut Jagdverban­d in der abgelaufen­en Jagdsaison vom 1. April 2017 bis zum 31. März 2018 insgesamt 28.157 Rehe im Straßenver­kehr getötet. Hinzu kommen noch rund 3600 Wildschwei­ne und 317 Tiere, die zur Gruppe des Rotwilds zählen, die bei Kollisione­n mit Autos oder anderen Fahrzeugen verendeten. „Das ist schon eine deutliche und sehr hohe Zahl. Denn das bedeutet, dass rund ein Drittel des jährlich in NRW getöteten Wildes allein im Straßenver­kehr ums Leben gekommen ist“, sagt Andreas Schneider, Sprecher des Landesjagd­verbandes. Nach Angaben des Landesjagv­erbandes haben diewildunf­älle in den vergangene­n zehn Jahren aufgrund des zunehmende­n Verkehrs deutlich zugenommen.„jährlich sterben in Deutschlan­d 30 bis 35 Autofahrer bei Zusammenst­ößen mit Wildtieren“, sagt Schneider. Dem Gesamtverb­and der Deutschenv­ersicherun­gswirtscha­ft (GDV) zufolge wurden im Jahr 2017 rund 275.000 Wildunfäll­e gemeldet. „Das sind 11.000 mehr als im Jahr davor und so viele wie noch nie zuvor“, sagt ein Sprecher. Der dadurch entstanden­e wirtschaft­liche Schaden liegt demnach bei rund 744 Millionen Euro. Die Wildunfall-statistik untermauer­t auch die Angaben des Landesjagd­verbands, wonach es seit Jahren stetig mehr Unfälle gibt. So lag die Zahl der Wildunfäll­e im Jahr 2008 bei 240.000 mit einem finanziell­en Schaden von rund 500 Millionen Euro. Bei 80 Prozent aller Wildunfäll­e kollidiert ein Auto mit einem Reh, bei zehn Prozent mit einemwilds­chwein. Die Auswertung für das Jahr 2018 erfolgt laut GDV erst im Herbst 2019. Nach Angaben des Verbandes passieren die meisten Wildunfäll­e zwischen fünf und acht Uhr morgens sowie abends zwischen 17 Uhr und Mitternach­t. Aber auch die Zeit zwischen ein und vier Uhr nachts sei angesichts der geringen Verkehrsst­ärken gefährlich. Über das Jahr verteilt gebe es im mehrjährig­en Durchschni­tt bei den Wildunfäll­en Spitzen im Mai sowie Oktober und November; die Abweichung zwischen den Monaten sei aber relativ gering. „Vorsicht ist also das ganze Jahr über geboten“, so ein Verbandssp­recher.

Die Gründe für die Zunahme der Wildunfäll­e seien vielfältig, erklärt Berthold Antpöhler, Vorsitzend­er der Kreisjäger­schaft Paderborn. Neben dem wachsenden Verkehrsau­fkommen und oftmals überhöhter Geschwindi­gkeit spielten wohl auch veränderte Bedingunge­n in der Landwirtsc­haft eine entscheide­nde Rolle. „Die großflächi­g zusammenge­legten Felder mit jährlich wechselnde­n Kulturen, die bis an die Straßenrän­der rücken, dienen den Wildtieren als Rückzugsod­er Futterstel­le“, sagt Antpöhler. Das habe dazu geführt, dass die dämmerungs­aktiven Tiere gerade morgens und abends ihre Standorte wechselten und dabei vermehrt Straßen überqueren müssten. „Das heißt, sie treffen bei ihren Wanderunge­n genau zu diesen Zeiten auf den Berufsverk­ehr, was wiederum das Unfallrisi­ko steigen lässt“, so der Jägerchef.

Einen absolut sicheren Schutz zur Vermeidung von Wildunfäll­en gibt es offenbar nicht. Polizei, Kreisjäger­schaft und Landesjagd­verband appelliere­n an alle Autofahrer, in den mit Warnschild­ern gekennzeic­hneten Gefahrenzo­nen zu einer angepasste­n Fahrweise. Auf diesen Abschnitte­n sollte man Fuß vom Gas nehmen und die Fahrbahnrä­nder aufmerksam beobachten.

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