Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sonnenblum­en für den Osten

Die Grünen werben vor den Wahlen für eine „neue Gemeinsamk­eit in Deutschlan­d“.

- VON HOLGER MÖHLE

FRANKFURT/ODER Robert Habeck ist nicht in Plauderlau­ne. Der Twitter-patzer wirkt nach. Aber hier „im Herzen von Europa“, wie Grünen-chefin Annalena Baerbock die deutsch-polnische Grenzregio­n beschreibt, stören Funklöcher den Kontakt zur Außenwelt. Mal eine Atempause. „Immer dieses ZackZack-zack, alle wissen schon die Lösung – das ist vielleicht die falsche Strategie“, sagt Baerbock kritisch. Dann eben nach Europa. Nur einige Hundert Meter, schon wären Baerbock und Habeck in Polen.

Zwei Tage hat der Grünen-bundesvors­tand in Frankfurt an der Oder über das Wahljahr 2019 beraten. Baerbock sagt, „hier im Herzen Europas“könne man zeigen, „dass die Zukunft im europäisch­en Projekt liegt“. Das neue Jahr mit der Europawahl im Mai sowie Landtagswa­hlen in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen im September und Oktober sehen die Grünen auch als eine Gelegenhei­t. „Das Jahr 2019 ist eine Chance – eine Chance für Deutschlan­d und für uns alle, die wir hier leben“, beginnt der Klausurbes­chluss. Ein Ziel: Die Grünen wollen „ostdeutsch­e Stimmen hörbar machen“, wie sie betonen, und werben dabei, künftig„bundesbehö­rden bevorzugt im Osten anzusiedel­n“.

Doch dieses neue Jahr der Chancen hat zumindest für Parteichef Habeck nicht gut begonnen. Erst recht, wenn man das aktuell besondere Interesse der Grünen am deutschen Osten berücksich­tigt. Die Regionen zwischen Ostsee und Erzgebirge sind vielfach noch Diaspora für die Partei mit der Sonnenblum­e im Logo.wahlen in Ostdeutsch­land bedeuten für die Grünen, die im Bund zuletzt mit Umfragen von mehr als 20 Prozent einen regelrecht­en Hype erfahren haben, regelmäßig den Kampf mit der Fünf-prozent-hürde. Und dann kommt Parteichef Habeck ausgerechn­et zum Auftakt eines Wahljahres mit einem Satz, verbreitet über Twitter, mit dem er im Osten quasi gleich ein ganzes Sonnenblum­enfeld abbrennt. „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratis­ches Land wird, ein ökologisch­es Land“, so Habeck über den Freistaat.

Ein Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien war dem Grünen-chef sicher. Die Grünen seien eben die Partei besser verdienend­er und besser gebildeter westdeutsc­her Großstädte­r, „Besser-wessi-partei“eben, so ein Vorhalt. Habeck zog gleich Konsequenz­en: Er ist jetzt raus bei Twitter. Zu schnell, zu aggressiv, zu heftig löse man dort Emotionen aus. Sein Facebook-konto hat Habeck auch gleich gekündigt. Auf dem Fotodienst Instagram aber will er bleiben.

Jetzt also auf in den Wahlkampf mit Sonnenblum­en auch für Ostdeutsch­land. Die Klausur in Frankfurt/oder in Brandenbur­g,wahlheimat der grünen Co-vorsitzend­en Baerbock, soll die Basis für Wahlerfolg­e bilden. In einer Phase, in der Populisten die Spaltung betrieben, werben die Grünen „für eine neue Gemeinsamk­eit in Deutschlan­d“. Sie wollen im Wahlkampf „reden über Lebensleis­tungen, die in der DDR genauso wie in der alten BRD erbracht wurden“. Ihren „Arbeitsauf­trag“der Gemeinsamk­eit wollen die Grünen tragen „bis in den letzten Winkel der Republik, egal ob West oder Ost“.

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FOTO: DPA „Im Herzen von Europa“: die Grünen Baerbock und Habeck.

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