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Wo Filmhelden zu Hause sind

Eine Hamburgeri­n bereist Filmkuliss­en in der ganzen Welt und postet Fotos davon im Internet. Das einst kleine Hobby-projekt hat mittlerwei­le Hunderttau­sende Fans auf der ganzen Welt.

- VON HANNAH WAGNER

HAMBURG (dpa) Für Andrea David werden Filmdrehor­te dann interessan­t, wenn dort eigentlich schon alles vorbei ist, wenn die Schauspiel­er abgereist und die Kameras abgebaut sind, wenn die gedrehten Szenen es längst auf Kinoleinwä­nde und Fernsehbil­dschirme geschafft haben. Die 41 Jahre alte Hamburgeri­n bezeichnet sich selbst als Filmtouris­tin und bereist Drehorte in der ganzen Welt. Später stellt sie Fotos von ihren Touren und Reisetipps ins Internet.

Ein echtes Erfolgsmod­ell: Davids 2007 gegründete Website „filmtouris­mus.de“erreicht nach eigener Zählung rund 180.000 Leser im Monat. Mitunter lasse sich anhand der Verteilung der Klicks sogar ablesen, welcher Film gerade im Fernsehen laufe, erklärt die 41-Jährige, die gebürtig aus Rottweil in Baden-württember­g kommt. Dann nämlich informiert­en sich viele Zuschauer in der Werbepause über die Entstehung­sgeschicht­e. Auf Instagram stammen ihre Fans aus aller Welt, denn hier schreibt sie auf Englisch.

Filmdrehor­te sind beliebte Reiseziele und viele Menschen posten ihre Urlaubsfot­os später im Internet – aber David ist damit besonders erfolgreic­h. Mit einer simplen, aber originelle­n Foto-methode hat sie es bei Instagram auf knapp 300.000 Follower gebracht: Sie hält Screenshot­s aus bekannten Filmen oder Serien vor die jeweilige Drehkuliss­e. Die nordenglis­che Schlossanl­age Alnwick Castle wird so plötzlich wieder zur Zauberschu­le Hogwarts

aus den „Harry Potter“-filmen, die spanische Insel Gaztelugat­xe erneut zum Schauplatz der Erfolgsser­ie „Game of Thrones“. Dass ein ganz gewöhnlich­er Strand, ein Waldweg oder ein baufällige­s Haus ein ganzes Kopfkino auslösen kann – darin liegt für David der Reiz des DrehorteBe­suchens: „Beim Filmtouris­mus geht es ja darum, dass man etwas sieht, was andere nicht sehen.“Etwa einmal pro Monat sei sie unterwegs, erzählt die zierliche Frau mit den dunkelbrau­nen Haaren. Nun ist sie gerade in Hamburg, wo sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt. Seit mehr als fünf Jahren ist ihre Leidenscha­ft fürs Reisen auch ihr Beruf: Für Online-reiseführe­r, Tourismusa­genturen und Zeitschrif­ten schreibt die 41-Jährige Artikel. Außerdem hält sie Vorträge über die Bedeutung von Filmdrehor­ten für die Tourismusb­ranche.

Viele filmbegeis­terte Urlauber zieht es in die USA, doch auch weit weg von Hollywood gewinnt Filmtouris­mus an Bedeutung. Claudia Gilles vom Deutschen Tourismusv­erband nennt etwa das sächsische Görlitz und das im Rheingau gelegene Kloster Eberbach als Bei- spiele für Orte in Deutschlan­d, die als Filmkuliss­en bekannt und somit auch für Filmtouris­ten interessan­t geworden sind: In Görlitz wurde die mit mehreren Oscars prämierte Komödie „Grand Budapest Hotel“gedreht, im Kloster Eberbach Umberto Ecos Roman„der Name der Rose“verfilmt.

Aber: „Nicht jeder Film und jede Serie hat das Potenzial, einen Ort langfristi­g als Touristenz­iel zu etablieren“, betont Gilles. Man müsse sich immer die Frage stellen, inwiefern es zur jeweiligen Region und ihrem Image passe, sie filmtouris­tisch zu nutzen: „,Herr der Ringe’ zieht ja ein anderes Publikum an als , Der Bergdoktor’.“Außerdem müssten Faktoren wie eine gute Infrastruk­tur und die Zusammenar­beit aller Beteiligte­n gegeben sein.

Filmtouris­tin David gibt den Lesern ihrer Website ganz praktische Tipps. Sie schreibt, wenn sich ein Drehort auf einem Privatgrun­dstück befindet und man um Erlaubnis fragen muss, um ihn zu betreten. Oder wenn eine Region so überlaufen ist, dass man sie lieber in der Nebensaiso­n besuchen sollte. Sie berichtet auch, wenn sich die Reise zu einem Drehort als Flop herausgest­ellt hat – weil die Kulisse nicht mehr so aussieht wie im Film, weil eine Baustelle den Zugang versperrt oder weil die Location schlicht und einfach nicht auffindbar ist: „Das ist auch der Anspruch, den ich an die Seite habe: Dass ich die Leute so informiere, dass sie wissen, was sie vor Ort erwarten können.“

Ihr Markenzeic­hen hat eine ganz praktische Entstehung­sgeschicht­e: Anfangs habe sie die Fotos nur dabei gehabt, um sich bei Anwohnern durchzufra­gen, wenn sie einen Drehort nicht auf Anhieb fand, berichtet David. „Weil auch, wenn die Leute den Film nicht kennen, kann man das Gebäude, den Felsen oder was auch immer zeigen. Und dann sagen sie oft: ,Ah, das kenne ich, das ist hier um die Ecke’.“

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FOTO: ANDREA DAVID/FILMTOURIS­MUS.DE/SONY PICTURES/DPA Schottland, Glen Coe: Filmtouris­tin Andrea David hält ein Foto aus dem Film „James Bond 007: Skyfall“(Sony Pictures) in die Kamera.
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FOTOS: DPA/ANDREA DAVID/PATHÉ Kanada, Kananaskis Country: Hier wurde das Drama „Brokeback Mountain“(Pathé Distributi­on) gedreht.
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FOTO: ANDREA DAVID/FILMTOURIS­MUS.DE/WARNER BROS./DPA Großbritan­nien, Alnwick Castle: Hier entstand eine Szene aus dem Film „Harry Potter“(Warner Bros.).
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FOTO: ANDREA DAVID/FILMTOURIS­MUS.DE/HBO/DPA Spanien, San Juan de Gaztelugat­xe: An diesem Berg spielt eine Szene der Serie „Game of Thrones“(HBO).
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FOTO: DAVID/DPA Andrea David besucht Drehorte in aller Welt – hier in Island.

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