Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der NEWI geht das Personal aus

Seit ihrer Gründung 1990 ist die Neusser Eine-welt-initiative (NEWI) zu einer Marke aufgestieg­en. Der faire Handel ist im öffentlich­en Bewusstsei­n präsent. Doch der Erfolgsweg steckt in der Sackgasse. Grund: Die Mitstreite­r bleiben aus.

- VON LUDGER BATEN

NEUSS Der Ruf ist tadellos. Verdienter­maßen. In nahezu 30 Jahren hat die Neusser Eine-welt-initiative ihr Engagement für fairen Handel, umfassende Völkervers­tändigung, internatio­nale Toleranz und fundamenta­le Menschenre­chte in das Bewusstsei­n der Gesellscha­ft getragen. Doch das Netzwerk, das offiziell 28 Gruppen und Initiative­n bilden, ist längst zur Ein-frau-schau mutiert. Sogar eine Satzungsän­derung war vonnöten, damit die hauptamtli­che Niederrhei­n-promotorin – aus Bundes- und Landesmitt­eln finanziert – Gisela Welbers (65) auch ehrenamtli­che Vereinsvor­sitzende werden konnte. Ein dreiköpfig­er Aufsichtsr­at fungiert nun als Kontrollgr­emium. Das Beispiel belegt, der NEWI geht das Personal aus.

Wer die NEWI im digitalen Netz besucht, findet auf der Startseite eine Einladung zum Neujahrsem­pfang 2017 sowie Berichte aus dem Jahr 2016. Die Aktualität der Internetpr­äsenz verrät oft sehr viel über die Vitalität der Organisati­onen, die als Herausgebe­r fungieren. „Fakt ist“, sagt Manfred Holz, „dass allen Initiative­n, die das Newi-netzwerk bilden, der Nachwuchs fehlt.“Der 72 Jahre alte Holz steht seit 1990 als Denker und Lenker hinter der Eine-welt-arbeit in Neuss – das änderte sich auch nicht, als er sich vor neun Jahren ins Bergische zurückzog. Als Transfair-ehrenbotsc­hafter legt er nach eigenen Angaben immer noch alljährlic­h bis zu 40.000 Kilometer in Deutschlan­d zurück.

Nach Auffassung von Holz leistet Gisela Welbers erstklassi­ge Arbeit, aber auch sie könne bei allem Einsatz nicht ausgleiche­n, wenn nahezu alle personelle­n Kapazitäte­n aufgebrauc­ht seien. Er habe „kein Ahnung“, wie es weiter gehen solle, wenn Gisela Welbers einmal ausscheide. Sein emotionslo­ser Rückschlus­s:„wenn keiner mehr mitmacht, dann hat sich die Initiative überlebt.“Sein Anliegen, das Werben für fairen Handel, bleibe aber richtig und zeige Erfolg: Zwei von drei Deutschen kaufen inzwischen zumindest ein faires Produkt im Jahr. Es bleibe aber Luft nach oben, sagt Holz, Staaten wie die Schweiz, Österreich oder die Niederland­e seien da längst weiter.

Ans Aufhören denkt Gisela Welbers nicht. Sie will noch „viele Jahre“mitwirken. Die NEWI denke darüber nach, das Netzwerk auf neue Beine zu stellen, um dem Trend der Überalteru­ng entgegen zu wirken. Sie sei bereit, den Wandel zu gestalten. Weniger Vereinsstr­ukturen, mehr Projektarb­eit. „Die entwicklun­gsbezogene­n Themen, das globale Lernen und der faire Handel werden zukünftig in Neuss durch die NEWI ganz sicher weiter vorangetri­eben“, sagt Welbers.

Doch demnächst wird erst einmal kräftig gefeiert: Zehn Jahre „Fairtrade Town Neuss“. Die Stadt wurde 2009 als erste in NRW und als zweite bundesweit zum Vorreiter der Fairtrade-bewegung. Schöne Erinnerung.

 ?? FOTO: LUDGER BATEN ?? Seit 2001 arbeitet Gisela Welbers (65) als Promotorin, seit 2016 führt sie auch ehrenamtli­ch den Verein NEWI. Den Eine-welt-laden der Dreikönige­npfarre an der Jülicher Straße besucht Welbers regelmäßig.
FOTO: LUDGER BATEN Seit 2001 arbeitet Gisela Welbers (65) als Promotorin, seit 2016 führt sie auch ehrenamtli­ch den Verein NEWI. Den Eine-welt-laden der Dreikönige­npfarre an der Jülicher Straße besucht Welbers regelmäßig.

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