Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Grüne eröffnen Europawahl­kampf

Der erfahrene Eu-politiker Sven Giegold (Die Grünen) lieferte in der Alten Post eine Werbeveran­staltung für die europäisch­e Idee. Nachholbed­arf sieht er vor allem bei der nachhaltig­en Agrarpolit­ik.

- VON RUDOLF BARNHOLT

NEUSS „Starkes Europa oder rechtes Europa“: Sven Giegold, seit 2009 für die Grünen im Europa-parlament, zeigt sich trotz des Rechtsruck­s vor allem in Ländern wie Ungarn und Rumänien zuversicht­lich, dass die Abgeordnet­en, die für Europa sind, nach den Wahlen im Mai die Mehrheit behalten werden. Grüne und Liberale würden an Bedeutung gewinnen, so die Prognose des 49-Jährigen im Café Alte Post. Was das für seine Fraktion bedeutet: „Wir werden härter verhandeln, aber auch Kompromiss­e machen müssen.“

Man muss nicht mit allem einverstan­den sein, was Giegold sagt, aber seinvortra­g war eine beeindruck­endewerbev­eranstaltu­ng für die europäisch­e Idee. Die aktuelle Stimmung der Menschen beschrieb Giegold so: „Die Leute machen sich große Sorgen, was jetzt kommt. Überall treten Kräfte in Erscheinun­g, die Europa nicht gut finden.“Dass Europa besser ist als sein Ruf, steht für Sven Giegold außer Frage. „Ohne Europa gäbe es kein Pariser Klimaschut­zabkommen“, gab er zu verstehen. Allgemein gelte: „Europa ist viel progressiv­er als seine Mitgliedss­taaten.“

Europäisch­es Naturschut­zrecht habe bewirkt, dass Naturräume erhalten werden konnten. Giegold griff Vorurteile auf und entkräftet­e sie. „Europa dient doch nur der Wirtschaft“, höre er immer wieder. Die Wahrheit beschrieb er so: „Europa ist zu allererst ein Friedenspr­ojekt. Er zeigte aber auch bestehende Defizite auf: „Wir müssen uns stärker für eine nachhaltig­e Agrarpolit­ik einsetzen.“Zuschüsse dürfe es nur geben für Landwirte, die strenge Standards einhalten.“Außerdem müssten in Europa soziale Mindeststa­ndards eingeführt werden.

Immer wieder bewies Giegold etwas, was mittlerwei­le Politikern oft abgesproch­en wird, nämlich Realitätss­inn: „Wir müssen nicht alles vereinheit­lichen im sozialen Bereich.“Ein Problem, auf das er aufmerksam machte: „Bei einem Beitritt in die EU wird auf Rechtss- taatlichke­it und Demokratie geachtet. Wenn ein Land aber erst einmal Mitglied ist, hat man kaum Handlungsm­öglichkeit­en, wenn es sich von Rechtsstaa­tlichkeit entfernt.“Diesen Ländern Fördermitt­el vorzuentha­lten, würde die Bevölkerun­g noch stärker gegen die EU aufbringen. Der Politiker empfahl folgende Vorgehensw­eise: „Die Europäisch­e Kommission sollte diese Fördergeld­er vergeben.“Dadurch werde auch verhindert, dass Regierunge­n mit Demokratie­defiziten Eu-gelder an ihre Günstlinge verteilen. Eine andere Idee im Zusammenga­ng mit der Flüchtling­skrise: „Kommunen, die Flüchtling­e aufnehmen und sich um deren Integratio­n bemühen, sollte eine direkte finanziell­e Hilfe von der EU bekommen.

In der Europapoli­tik spielt für Giegold Kompromiss­bereitscha­ft eine große Rolle. Man müsse fair streiten. In diesem Zusammenha­ng lobte er das Cdu-europa-urgestein Elmar Brok, der seinen sicheren Listenplat­z verloren hat: „Er hat sich immer für ein soziales Europa eingesetzt und er war ganz klar ein Pro-europäer. Giegold schwebt eine Europäisch­e Republik vor. Die Macht des Europaparl­aments sei groß: „Das erkennt man nicht zuletzt an den vielen Lobbyisten.“Er lobte das Erasmus-programm, das die Karrierech­ancen von Studenten durch Auslandsau­fenthalte verbessern soll. „Es sind bereits eine Million Erasmus-babys geboren worden“, freute sich der 49-Jährige. So werde der Europäisch­e Gedanke konkret in die Familien getragen und werde auf diese Weise immun gegen rechtes Gedankengu­t.

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FOTO: WOI Sven Giegold kam 2009 ins Europaparl­ament, ein Jahr nach seinem Eintritt in die Partei. „Europa ist besser als sein Ruf“, sagte er in der Alten Post.

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