Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kirche mit einem Hauch von Bauhaus

Gegründet vor 100 Jahren, gilt das Bauhaus als Geburtsstä­tte der modernen Architektu­r. Auch in Grevenbroi­ch gibt es Spuren dieses Stils.

- VON WILJO PIEL

SÜDSTADT Ja, die Südstädter sind stolz auf ihre katholisch­e Pfarrkirch­e St. Joseph. „Ein solch eigenwilli­ger Bau ist weit und breit nirgendwo zu finden“, sagt Josef Theisen, der Kämmerer der 1956 gegründete­n Gemeinde. „Wir haben ein Alleinstel­lungsmerkm­al.“Das allerdings auch seine Tücken hat: Schon mehrfach musste der Bau aufwendig restaurier­t werden.

1959, vor 60 Jahren, wurde St. Joseph seiner Bestimmung übergeben. Geplant wurde die Kirche von Gottfried Böhm, der sich in den 50er und 60ern an den Bauhaus-maximen orientiert­e – mit klaren kubischen Bauten, mit viel Glas. „In diesem Stil schuf er innerhalb von 15 Jahren mehr als 40 Kirchen – etwa in Köln, Düsseldorf, Velbert und Grevenbroi­ch“, meldete jetzt der Deutschlan­dfunk.

1956 hatte die junge Südstadt-gemeinde einen Architektu­r-wettbewerb für ihre erste Kirche ausgeschri­eben, Böhm ging als Sieger hervor. „Das Konzept überzeugte“, sagt Theisen. Der frei stehende, 36 Meter hohe Glockentur­m, der eigenwilli­ge Mix aus Beton und Glas galten seinerzeit als kleine Sensation.

Mit Skepsis hätten seine Vorgänger jedoch das eigenwilli­ge Tonnendach des Hauptschif­fes betrachtet, schildert Josef Theisen: „Weil der Architekt aus optischen Gründen auf Regenrinne­n verzichtet hatte, befürchtet­e der Kirchenvor­stand, dass es rasch zuwassersc­häden kommen könnte.“Was keine zehn Jahre später auch eintraf, die erste kostspieli­ge Reparatur wurde fällig. Weitere sollten folgen.

Nichtsdest­otrotz ist St. Joseph ein echtes Schmuckstü­ck, in dem Tradition und Moderne vereint wurden, mit einem Hauch von Bauhaus. Sehenswert ist die Taufkapell­e mit ihrem grün schimmernd­en Spitzdach und der überwiegen­d blauen Bleivergla­sung, die Geschichte­n aus dem Leben Jesu erzählt, oder der Baldachin, der den Marmorbloc­k des Altars entspannt. „Gottfried Böhm hat sich bei St. Joseph auch am maurischen Stil orientiert“, berichtet Theisen. Davon zeugen etwa die kleinen Oberlichte­r im Hauptschif­f, die beiden aus Naturstein gefertigte­n Beichtstüh­le oder das Trep- pengelände­r zur Orgelempor­e.

Die Kirche wurde 2013 und 2014 noch einmal grundlegen­d saniert, die Dächer von Haupt- und Nebenschif­f mussten erneuert werden – rund 900.000 Euro kostete das Projekt, das vom Erzbistum Köln finanziert wurde. Gerade frisch renoviert ist der Glockentur­m, dessen Schäden geringer waren als ursprüngli­ch befürchtet.

„Die gesamte Fläche wurde gereinigt, anschließe­nd konnten Abplatzung­en in der Betonhaut aus- gebessert werden“, schildert Josef Theisen. Rund 120.000 Euro hat das Projekt gekostet – inklusive der Restaurati­on der vier Kirchturms­uhren. Deren kupferne Zeiger und Zifferblät­ter wurden gereinigt und neu vergoldet. „Das alles sieht wieder sehr gut aus“, sagt Kämmerer Josef Theisen zufrieden.

Und die Pfarre hat schon neue Pläne: Sie ist im Gespräch mit Peter Böhm, dem Sohn des bald 99 Jahre alt werdenden Architekte­n. „Dabei diskutiere­n wir die Frage, ob wir das Seitenschi­ff der Kirche künftig als Pfarrsaal nutzen können“, berichtet Theisen. Noch steht aber nicht fest, ob diese Pläne realisiert werden können.

Seit 2007 steht das Pfarrzentr­um St. Joseph unter Denkmalsch­utz – nicht nur weil es aus wissenscha­ftlichen und architekto­nischen Gründen als Werk eines überregion­al bekannten Architekte­n erhaltensw­ert ist. Es dokumentie­rt auch das Selbstbewu­sstsein einer jungen, vor 63 Jahren gegründete­n Gemeinde.

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FOTOS (4): W. PIEL Ein Blick von Anneliese Langenbach­s „Flötenspie­ler“-skulptur auf die markante Taufkapell­e der Pfarrkirch­e St. Joseph.
 ??  ?? Das Taufbecken mit seinem schweren Deckel zählt zu den Hinguckern in der Pfarrkirch­e.
Das Taufbecken mit seinem schweren Deckel zählt zu den Hinguckern in der Pfarrkirch­e.
 ??  ?? Klare Linien bestimmen das Bild im Gotteshaus der Südstadt.
Klare Linien bestimmen das Bild im Gotteshaus der Südstadt.
 ??  ?? Viel Platz bietet das Hauptschif­f der Kirche. Eine Besonderhe­it: der schwere Baldachin über dem Altar.
Viel Platz bietet das Hauptschif­f der Kirche. Eine Besonderhe­it: der schwere Baldachin über dem Altar.

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