Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das alte Klosterzen­trum an der Brückstraß­e

Um das prunkvolls­te Barockgebä­ude der Stadt hatte sich einst ein Klosterzen­trum entwickelt. Eine Zeitreise.

- VON CARSTEN GREIWE

NEUSS Es war wohl das prunkvolls­te Barockgebä­ude in Neuss: das Kloster der Augustiner-chorherren an der Brückstraß­e. Die Fassade war reich gegliedert, wenn auch eher einfach gestaltet. Die Portale aber und die Klosterkir­che brachten seit 1721 einen seltenen barocken Glanz in die alte Quirinusst­adt. Das weiträumig­e Stiftsgebä­ude, das nach heutigem Stadtbild an der östlichen Stadtkannt­e bis hin zum Kreishaus reichte, war für auswärtige Gäste hohen Ranges die würdigste Residenz in der Stadt. Unter ihnen ragte während des Siebenjähr­igen Krieges 1758 Prinz Ferdinand von Braunschwe­ig hervor, der Oberbefehl­shaber der englisch-preußische­n Truppen gegen Frankreich.

Wenn der Welfen-prinz aus dem prächtigen Barockport­al des Chorherren-stiftes trat, konnte er gleich eine ganze Reihe von kleineren Klosterkir­chen erblicken. Das Gelände des späteren Busbahnhof­s hatte sich in der Neuzeit nämlich zu einem echten Klosterzen­trum entwickelt. Seit 1450 bereits residierte­n die Alexianerb­rüder an der Brückstraß­e und betätigten sich als Krankenpfl­eger und Totengräbe­r.

Ihre caritative Arbeit war unter den Bürgern der Stadt hochgeschä­tzt. Sie selbst waren jedoch so arm, dass der Stadtrat Kloster und Unterhalt finanziert­e. „Die Alexianer übten ihr Liebeswerk nicht nur in den beiden Hospitäler­n aus, in denen die Alten, Bresthafte­n, Krüppel und Blinden Aufnahme fanden, sondern waren auch in der ambulanten Krankenpfl­ege in den Wohnungen der Bürger zu finden“, wie Joseph Lange berichtete. Mittellose­n Bürgern standen die Brüder unentgeltl­ich zur Verfügung, sonst erhielten sie eine kleine Entlohnung für ihre Dienste.

Zweimal wurden Kloster und Klosterkir­che zerstört (1586 und 1655), aber wieder aufgebaut. Direkt daneben lag das städtische Schlachtha­us, was Joseph Lange, vermutlich nicht ganz zu Unrecht als„unangenehm­e Nachbarsch­aft“beschreibt.

Mitte des 17. Jahrhunder­ts kam ein weiteres Kloster zwischen Hymgasse und Brückstraß­e hinzu. 1654 siedelten sich die Nonnen vom Hei- ligen Grab (Sepulchrin­erinnen) dort an. Sie widmeten sich der Mädchenerz­iehung und boten Unterricht in Deutsch, Latein und Französisc­h sowie in Näh- und Handarbeit­en an, außerdem in Musik. Die kleine Klosterkap­elle war dem heiligen Johannes Nepomuk geweiht.

Die erste klösterlic­he Einrichtun­g an der Brückstraß­e, die dem„romaneum“weitgehend zum Opfer fiel, war jedoch ein Wirtschaft­shof der Zisterzien­ser vom Kloster Kamp am Niederrhei­n. Die 1123 errichtete Abtei erwarb bereits früh ein Grundstück an Brückstraß­e und Trankgasse (heute Hessenstra­ße). Dort ließen die Mönche 1128 den „Kamper Hof“bauen. Er lag da, wo heute das Kreishaus steht, südlich des späteren barocken Stiftsgebä­udes der Chorherren.

Dem Hof war eine kleine Kirche angeschlos­sen, und er diente den Zisterzien­sern gleichsam als Wirtschaft­szentrale für ihre weitreiche­nden Handelsbez­iehungen. In Kriegswirr­en flohen die Mönche vom Niederrhei­n mehrfach in die befestigte Stadt. 1483 beherbergt­e der Kamper Hof sogar den Generalabt aus dem französisc­hen Citeaux, der sich auf einer Visitation­sreise befand. Zwei Neusser brachten es 1326 und 1664 zum Abt des Klosters Kamp.

Von der einstigen klösterlic­hen Hochkultur an der Brückstraß­e ist heute allerdings kaum noch etwas zu sehen. Die Abtei Kamp, das Chorherren­stift und die Sepulchrin­erinnen wurden im Zuge der französisc­hen Besatzung 1802 aufgelöst. Der Kamper Hof wurde ebenso ver- kauft, wie das Barockstif­t der Chorherren. Deren Stiftskirc­he wurde abgebroche­n. 1836 errichtete die Firma Heinrich und Caspar Thywissen dort eine Ölmühle, die 1853 ein Opfer der Flammen wurde.

Kirche und Klostergeb­äude der Sepulchrin­erinnen jedoch fielen an die Stadt Neuss, die dort 1806 das städtische Bürgerhosp­ital unterbrach­te. In der Kirche fanden weiterhin Gottesdien­ste statt. Als das Krankenhau­s 1911 an die Preußenstr­aße verlegt wurde, wurde die alte Klosterkir­che jedoch profaniert und als städtische­s Materialla­ger genutzt.

Die Innenausst­attung erhielt die neue Dreikönige­nkirche. Letztlich wurden Kloster und Klosterkir­che im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört.

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FOTO: WOI Das historisch­e Barockstif­t der Augustiner-chorherren – hier als colorierte Zeichnung aus dem Besitz des Clemens-sels-museums.

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