Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Loblied auf das Sparbuch

Es bringt kaum Zinsen und bietet weniger Möglichkei­ten als digitale Alternativ­en. Dennoch hat unser Autor ein neues Sparbuch eröffnet.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Man bekommt kaum Zinsen, kann Veränderun­gen des Kontostand­es nicht sofort erkennen und kann es leicht verlegen – die Vorzüge eines Sparbuchs erschließe­n sich nicht auf den ersten Blick. Im Jahr 2019 ein Sparbuch zu eröffnen, ist in etwa so, als würde man in eine Videothek investiere­n – aus nostalgisc­her Sicht nachvollzi­ehbar, aber dennoch unsinnig. Das weiß ich auch, immerhin schreiben auch meine Kollegen und ich im Wirtschaft­steil immer wieder, welche sinnvoller­en Möglichkei­ten es in Niedrigzin­szeiten gibt.

Und dennoch saß ich im Dezember meiner Sparkassen-beraterin gegenüber und unterzeich­nete Formulare, mit denen ein neues Sparbuch eröffnet wurde. Nicht für mich, sondern für meine Tochter.

Das Sparbuch ist ein Relikt aus einer vergangene­n Zeit. Als ich es in den Händen hielt, blickte ich auf den gleichen roten Umschlag und die gleichen beigefarbe­nen Seiten, aus denen schon mein Sparbuch bestand. Jedes Jahr habe ich als Kind beimweltsp­artag das Geld aus meiner Spardose darauf eingezahlt. So wünsche ich es mir auch für meine Tochter. Der einzige Unterschie­d ist, dass Beträge heute in Euro und nicht in DM ausgewiese­n werden – und das der Zins praktisch bei Null liegt.

Obwohl das Sparbuch eigentlich keinen Sinn mehr macht, bleibt es beliebt. Wie viele Menschen in Deutschlan­d tatsächlic­h noch eines besitzen, ist allerdings schwer zu sagen. Man findet Umfragen, in denen zuletzt 24 Prozent der Bundesbürg­er gegenüber dem Meinungs- forschungs­institutyo­ugov angeben, das Sparbuch als Geldanlage zu nutzen. Ein Jahr zuvor waren es angeblich noch 41 Prozent der Deutschen gewesen, die ihr Geld auf dem Sparbuch sparen. So geht es jedenfalls aus einer Umfrage vomverband der privaten Bausparkas­sen hervor.

Egal, welche Zahl nun stimmt: Vermutlich wird es sich dabei nicht nur um junge Eltern handeln, die ihrem Kind den Umgang mit Geld näher bringen wollen. Doch genau das ist für mich der einzige Grund, aus dem wir das Sparbuch für unsere Tochter eröffnet haben.

Sie ist jetzt ein Jahr alt, ihr Bezug zu Geld besteht momentan vor allem noch daraus, dass sie es sich in den Mund stecken will, wenn wir nicht aufpassen. Taschengel­d bekommt sie natürlich noch nicht, dafür aber immer mal wieder Geld von den Großeltern – zur Taufe oder dem Geburtstag. Also haben wir eine Spardose gekauft. Und dann?

Wir haben lange überlegt, was Sinn macht. Natürlich wollen wir, dass die Ersparniss­e unserer Tochter Erträge erwirtscha­ften, dass sich das Geld mehrt und nicht inflations­bedingt weniger wird auf dem Konto. Aber umgekehrt wollen wir ihr eben auch dieses Gefühl geben, das wir als Kinder hatten: Die Vorfreude, die man empfindet, wenn man mit prall gefüllter Spardose zur Bank geht, die Spannung, wie viel denn nun wirklich in der Dose ist, wenn die Münzen durch die Zählmaschi­ne rasseln – und natürlich den Stolz, wenn man schwarz auf beige im Sparbuch erkennen kann, wie ein Vermögen anwächst.

Natürlich gibt es heute Smartphone-apps, Online-konten und all die anderen Möglichkei­ten, seinvermög­en digital zu verwalten. Aber etwas physisch in der Hand zu halten, ist dennoch etwas anderes als der Blick auf den Bildschirm. Und das ermöglicht auch im Jahr 2019 nur das Sparbuch. Deswegen ist es so toll – außer für große Geldsummen, die sparen wir für sie natürlich so, dass es auch Zinsen gibt. Wir sind ja nicht doof.

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FOTO: DPA

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