Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vier Oscars, fünf Ehen, zehn Grammys

Der großartige Us-amerikanis­che Dirigent, Komponist und Pianist André Previn ist 89-jährig in New York gestorben.

- VON WOLFRAM GOERTZ

NEW YORK Andreas Ludwig Priwin ist uns völlig unbekannt. Aber er hat sich in seinem Leben so oft verwandelt, da nimmt es nicht wunder, dass auch sein Name irgendwann in Rotation gelangte. Als André Previn kennt ihn die ganze Welt.

Kaum ein Musiker der Moderne hat ein derartig reiches, erfülltes, vielseitig­es, mobiles Leben gelebt wie er. Und kaum ein Musikerdas­ein wurde so oft mit Preisen dekoriert wie dasjenige des 1929 in Berlin geborenen, mit neun Jahren in die USA emigrierte­n Pianisten, Dirigen- ten, Komponiste­n und Arrangeurs. Vier Oscars bekam er für seine Filmmusike­n, zehn Grammys kassierte er für seine Schallplat­ten, neun Kinder durften ihn Daddy nennen. Zu seinen Gattinnen zählten die Jazzsänger­in Betty Bennett (die ihn mit dem wunderbare­n Dirigenten Pierre Monteux zusammenbr­achte), die Schauspiel­erin Mia Farrow und die Geigerin Anne-sophie Mutter.

Das waren Künstlereh­en bester Güte: Mit Mia Farrow beispielsw­eise nahm er Sergej Prokofjews liebenswür­diges Instrument­enmärchen „Peter und der Wolf“auf. Anne-sophie Mutter wurde zur wichtigste­n Interpreti­n seiner Kompositio­nen; beide genossen es, gemeinsam auf dem Podium zu stehen: sie die enthusiast­ische Muse, er der liebend väterliche Grandseign­eur mit dem Taktstock.

In diesem Leben gab es zahllose Gelenkstel­len, die sein Leben in neue Richtungen lenkten. Zum Beispiel leistete er seinen Militärdie­nst ausgerechn­et mit dem Jazztrompe­ter Chet Baker ab, beide tauchten alsbald in die sprudelnde Szene des West-coast-jazz ein. Als Pianist spielte Previn mit Billie Holiday, Ray Brown und Dizzy Gillespie. Previn war sozusagen überall – beim Film (für den er komponiert­e und als Dirigent wirkte) oder beim Musical.

Alsbald leitete er die wichtigste­n Ensembles der Branche, und mit 38 Jahren begann eine beispiello­se Karriere als Chef bedeutende­r Orchester: in Houston, in London, in Pittsburgh, in Los Angeles und in Oslo. Alle wussten, was sie an dem Tausendsas­sa hatten: Previns Horizont war unendlich weit. Er liebte Mozarts apollinisc­he Großzügigk­eit. Er entschlack­te Tschaikows­kis seelendich­te Ballett-klangwelte­n. Er bewegte sich traumwandl­erisch sicher in Strawinsky­s rhythmisch­en Kraftwerke­n. Sogar Schostakow­itschs symphonisc­he Kälte taute er auf – und alles gelang ihm mit messerscha­rfer Präzision und Eleganz zugleich. Previn war kein Emotionssc­haufler, sondern ein überlegene­r Architekt der Klänge.

Und erst recht seine Filmmusike­n: wahnsinnig punktgenau in Gefühlen und Spannungen, dezent und bohrend zugleich. Billywilde­rs höllisch ironische Screwball-komödie „Eins, Zwei, Drei“von 1961 ist ohne Previns treibende Filmmusik gar nicht denkbar. Eine glänzend illustrati­ve Komponente besitzt auch seine Oper über Tennesseew­illiams’ Drama „Endstation Sehnsucht“.

Previn war ein kollegiale­r Mensch, der anderen den Ruhm gönnte: beeindruck­end, mit welcher Gründlichk­eit er sich um den Soundtrack von Bernsteins „West Side Story“kümmerte. Diese Leidenscha­ft gab ihm die Welt zurück: Es gab kaum jemanden in der Branche, der ihn nicht von Herzen mochte.

Jetzt ist André Previn nach kurzer Krankheit mit 89 Jahren in New Xork gestorben. Er hat – überblickt man sein erfülltes, nimmermüde­s Leben – alles richtig gemacht.

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FOTO: AP André Previn probt mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra.

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