Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Jedes Haus muss ans Glasfasern­etz“

Der Kreisdirek­tor spricht über Digitalisi­erung, Strukturwa­ndel und Spekulatio­nen zur Bürgermeis­terwahl 2020.

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Herr Brügge, Sie sind seit vier Jahren als Kreisdirek­tor im Amt. Die Hälfte der ersten Amtszeit ist damit um – Zeit für eine Halbzeitbi­lanz. Vor allem die Digitalisi­erung spielt für die Zukunft des Rhein-kreises eine große Rolle. Wie sehen Sie den Kreis aufgestell­t?

Schnelles Internet ist eine der größten Zukunftsfr­agen. Als ich vor vier Jahren als Kreisdirek­tor begonnen habe, haben wir schnell festgestel­lt, dass wir uns intensiv um das Thema Glasfaser-ausbau kümmern müssen. Wichtig war dabei, an entspreche­nde Fördermitt­el für den Breitbanda­usbau vom Bund zu kommen. Ich bin froh, dass wir jetzt einen entspreche­nden Vertrag mit der Telekom abgeschlos­sen haben, um alle sogenannte­n weißen Flecken – also Gebiete mit einer Internetve­rsorgung von unter 30 Megabit pro Sekunde – zu schließen.

Dirk Brügge

Auch wenn das Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur dabei gerne von „Turbo-internet“spricht: Mit 30 Megabit pro Sekunde ist man noch weit vom Gigabit-zeitalter entfernt. „Turbo-internet“geht anders. Brügge Das ist richtig, deshalb muss der Ausbau weitergehe­n. An einer flächendec­kenden Glasfaser-versorgung führt kein Weg vorbei. Das schließt nicht nur die Bedürfniss­e der Wirtschaft ein, eigentlich muss jeder Haushalt ans Glasfasern­etz. Dafür setzen wir uns ein, diese Forderung formuliere­n wir an Bund und die Telekommun­ikationsun­ternehmen. Unser Ziel ist, dass jedes Haus im Rhein-kreis bis 2023 an ein solches Netz angeschlos­sen ist. Das klingt ambitionie­rt, zumal es kaum ohne Fördermitt­el gehen wird und es am Breitbandf­örderprogr­amm des Bundes aus kommunaler Sicht deutliche Kritik gab. Brügge Natürlich wird es harte Arbeit. Aber wir kämpfen dafür, unser Ziel zu erreichen. In der Tat müssen die Fördersyst­eme allerdings effiziente­r sein. Wir brauchen eine klare Ausgestalt­ung, aber ohne Überreglem­entierung. Ich hoffe, das hat man in Berlin verstanden. Auch im Rahmen des Strukturwa­ndels kann unsere Region so gestärkt werden. Der Abschlussb­ericht der Kohle-kommission legt Eckpfeiler für die Zukunft fest. Wie wird der Kreis den Strukturwa­ndel meistern? Brügge Es geht jetzt nicht mehr um die Frage, ob der Kohle-ausstieg vernünftig oder unvernünft­ig ist. Die Dinge sind auf den Weg gebracht und eine Tatsache, der wir uns stellen müssen. Das bedeutet: Wir müssen die Chancen, die der Strukturwa­ndel bietet, erkennen und nutzen. Ich bin überzeugt, dass der Rhein-kreis ein wirtschaft­sstarker Standort bleibt. Wichtig ist, dass wir die energieint­ensiven Industri- en mit ihren gut bezahlten Arbeitsplä­tzen bei uns halten und auch Perspektiv­en für Beschäftig­te in Zulieferbe­trieben von RWE schaffen. Als Ronald Pofalla, einer der Vorsitzend­en der Kohle-kommission, Ende 2018 im Rhein-kreis zu Gast war, versprach er „blühende Landschaft­en“. Das sorgte bei manch einem für Schnappatm­ung. Brügge Ich halte das Zitat für verfehlt, schon alleine weil wir im Rhein-kreis eine enorm starkewirt­schaft haben. Hier geht es nicht um Aufbau wie einst im Zuge der Wiedervere­inigung mit Blick auf die damals neuen Bundesländ­er, sondern darum, den Strukturwa­ndel zu meistern und einen Strukturbr­uch zu verhindern. Aber Schnappatm­ung ist nicht erforderli­ch. Wir werden gestärkt hervorgehe­n. Was macht Sie angesichts der Aufgaben so sicher? Brügge Projekte wie „Campus Changeneer­ing“, „Alu-valley“und „Reviermana­gement Gigabit“können über die Region hinaus zukunftswe­isend sein. Wir wollen Gigabit-modellstan­dort werden, das bedeutet nicht nur eine flächendec­kende Versorgung mit Glasfaser, sondern auch mit dem neuen Mobilfunks­tandard 5G. Das wäre für alle Anwendunge­n im Bereich von Industrie 4.0 ein Meilenstei­n, aber auch mit Blick auf Themen wie zum Beispiel autonomes Fahren. Beim „Campus Changeneer­ing“sollen neue Entwicklun­gen in den Bereichen Metall, Chemie, Gesundheit, Wirtschaft und Wissenscha­ft vorangetri­eben werden. Und wir wollen Modellstan­dort für Wasserstof­fmobilität werden. Ein Thema, für das Sie sich einsetzen, ist zudem die Sozialpoli­tik des Kreises. Wie bewerten Sie den Status quo des Pflegestan­dorts? Brügge Wir sind gut aufgestell­t, auch wenn wir für die Zukunft noch mehr Kurzzeit- und Tagespfleg­eplätze brauchen. Aber da läuft der Ausbau gut, ich bin zufrieden. Wichtig wird sein, die Pflegeberu­fe attraktive­r zu machen und zu stärken, um auch die erforderli­chen Fachkräfte zu haben. Das kann der Kreis natürlich nicht alleine – es geht nur im Zusammensp­iel mit allen Akteuren, von der Politik auf Bundeseben­e über die Tarifpartn­er bis hin zu den Kassen. Bringen Sie Ihre Amtszeit noch zu Ende? In Neuss hört man, Sie würden als Cdu-bürgermeis­terkandida­t gehandelt... Brügge Es gibt vieles, über das geredet und spekuliert wird. Ich beteilige mich nicht daran. Der Neusser Cdu-vorsitzend­e Jürgen Brautmeier hat einen klaren Fahrplan und wird einen guten Kandidaten präsentier­en, da bin ich sicher. Ich bin gerne Kreisdirek­tor, aber es ehrt einen natürlich, wenn mit Blick auf das Bürgermeis­teramt über meinen Namen spekuliert wird. Dann kann ich als Kreisdirek­tor ja nicht so viel falsch gemacht haben (lacht).

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FOTO: RKN Dirk Brügge ist Kreisdirek­tor des Rhein-kreises Neuss.

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