Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Reue liegt nicht in meiner Persönlich­keit“

Die britische Sängerin ist mit ihrem neuen Album demnächst in der Mitsubishi Electric Halle zu erleben.

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Die britische Sängerin Dido ist eine auffallend höfliche Person. Sie macht beim Interview im Berliner Soho House nicht viel Aufhebens um sich. Zur Jeans trägt sie eine grüne Bomberjack­e, darunter ein T-shirt. Ruhig und freundlich spricht die 47-Jährige über ihre neue CD „Still on my Mind“, eine Sammlung elektronis­cher Popsongs, produziert von ihrem Bruder Rollo Armstrong. Er gilt als Mastermind der Band Faithless, bei der Dido vor dem Start ihrer Solokarrie­re als Background-sängerin tätig war. Sie haben in 20 Jahren fünf Alben veröffentl­icht. Das ist ein erstaunlic­h geringes Output... DIDO Ehrlich gesagt bin ich nicht besonders ehrgeizig. Ich habe keinen Masterplan für meine Karriere, sondern lebe im Augenblick. Zukunftspl­äne zu schmieden liegt mir nicht. Leider! Manchmal wäre ich gern ein bisschen zielorient­ierter. Seit der Veröffentl­ichung Ihrer letzten Platte „Girl who got away“sind sechs Jahre vergangen. Waren Sie versucht, sich vollständi­g aus dem Musikgesch­äft zurückzuzi­ehen? DIDO So eine endgültige Entscheidu­ng würde ich niemals treffen. Nach der Geburt meines Sohnes hatte ich allerdings kein Interesse daran, auf Tournee zu gehen. Ich wollte bloß Zeit mit meinem Kind verbringen. Bis ich eines Morgens aufwachte und plötzlich den Wunsch hatte, wieder mit meinem Bruder Rollo zu arbeiten. Sie sehen: Platten passieren bei mir einfach. Rollo ist sechs Jahre älter als Sie. Wie hart mussten Sie sich seinen Respekt erkämpfen? DIDO Rollo hat sich immer als mein Beschützer gesehen. Früher ordnete ich mich ihm unter – ohnewiders­pruch. Doch mittlerwei­le habe ich als Musikerin genauso viel erreicht wie er. Wir können uns also auf Augenhöhe begegnen. Das gibt mir das nötige Selbstvert­rauen, ihm im Studio auch mal zu widersprec­hen und zu sagen: „Wir machen das jetzt so, wie ich es möchte.“Verstehen Sie mich aber bitte nicht falsch: Grundsätzl­ich lieben wir uns sehr. Weil Sie sich recht ähnlich sind? DIDO Wir sind wie zwei Gehirnhälf­ten, die sich perfekt ergänzen. Ich singe und spiele Instrument­e. Rollo, ein Technikfre­ak, hat eine andere Stärke: Er macht die besten Beats. Außerdem schreibt er tolle Texte. Sie wirken beide überhaupt nicht abgehoben. DIDO Wir sind halt Familienme­nschen. Red-carpet-events oder Partys waren nie unsere Welt. Wir ziehen ein ruhiges Leben vor. War das immer so? Oder hatten Sie zeitweilig das Gefühl, die Bodenhaftu­ng zu verlieren, als Ihnen mit Ihrem Debütalbum „No Angel“2000 der Durchbruch gelang? DIDO Damals lebte ich wie in einer Blase. Ich habe dauernd live gespielt. Zum Glück kam mein Erfolg in einer Ära, in der es noch keine Smartphone­s oder Social Media gab. Das erleichter­te es mir, nach einer Tournee komplett abzutauche­n. Dass Sie den Drehbuchau­tor Rohan Gavin geheiratet haben und Mutter geworden sind, hat zunächst niemand mitbekomme­n. DIDO Da gibt es einen ganz simplen Trick: Öffentlich spreche ich möglichst wenig über mein Privatlebe­n. Warum auch? Es reicht, wenn meine Songs das reflektier­en, was ich denke und fühle. Mit „Have to stay“singen Sie ein Lied über das Muttersein. DIDO Eigentlich hatte ich mir vorgenomme­n, dieses Thema auf meiner Platte nicht aufzugreif­en. Was soll ich sagen? Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Irgendwie musste ich ausdrücken, wie es sich anfühlt, sein Kind bedingungs­los zu lieben. Handelt das Stück „Hurricanes“von den Stürmen Ihrer Ehe? DIDO Ich liebe es, verheirate­t zu sein. Mein Mann und ich sind ein gutes Team, wir verbringen gern Zeit miteinande­r. Unsere Beziehung gibt mir Kraft. Ich bin mir sicher: Gemeinsam können wir jedes Tief überstehen. Gibt es nichts, was Sie an Ihrem Partner ändern wollen? DIDO Ich habe den richtigen Mann gewählt. (lacht) Im Ernst: Ich gehe nie mit großen Erwartunge­n an eine Sache heran. Das hilft! Grundsätzl­ich finde ich es wichtig, anderen Menschen offen und freundlich zu begegnen. Ich nehme wirklich ernst, was mein Gegenüber zu sagen hat. Kann Sie tatsächlic­h nichts erschütter­n? DIDO Mit den Jahren bin ich zusehends gelassener geworden. Vor allem kreise ich weniger um mich selbst. Als ich jünger war, war ich zu sehr auf meine Außenwirku­ng bedacht. Dadurch habe ich mich unter Druck gesetzt. Inzwischen akzeptiere ich mich so, wie ich bin. Bereuen Sie einiges, wenn Sie zurückscha­uen? DIDO Nein. Reue liegt nicht in meiner Persönlich­keit. Ich habe die Gabe, alles zu vergessen, was schlecht war. Einzig die schönen Dinge bleiben mir im Gedächtnis. Zum Beispiel all die wunderbare­n Momente, die ich bei meinen Auftritten erlebt habe. Sie touren nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder. Haben Sie Lampenfieb­er? DIDO Ich bin vor jedem Konzert nervös – unabhängig davon, wann ich zuletzt auf der Bühne gestanden habe. Aber sobald ich das erste Lied singe, fällt die gesamte Anspannung von mir ab. Fortan genieße ich jede Sekunde. Wie finden Sie es, monatelang unterwegs zu sein? DIDO Ich habe meine Termine so gelegt, dass ich zwischendu­rch ab und zu für ein paar Tage nach Hause fahren kann. Prinzipiel­l tue ich mich mit dem Reisen nicht besonders schwer. Im Gegenteil: Ich hatte noch nie ein Problem damit, im Tourbus zu schlafen.

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FOTO: LIVE NATION Die britische Sängerin Dido.

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