Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Auch USA stoppen Unglücks-boeing
Der Flugzeugbauer selbst empfiehlt der Luftfahrtbehörde FAA ein Startverbot.
WASHINGTON Richard Blumenthal nimmt kein Blatt vor den Mund: Wenn man nicht innehalte, sei das nächste Unglück bereits programmiert, warnt der Demokrat, der den Neuengland-staat Connecticut im Us-senat vertritt. Nach den Abstürzen in Äthiopien und zuvor in Indonesien gebe es allen Grund, besorgt, ja, alarmiert zu sein. Er jedenfalls, so der Senator, würde keinem aus seiner Familie raten, an Bord einer 737 Max zu gehen, solange die Zweifel nicht restlos ausgeräumt seien.
Blumenthal kann aufatmen. Der Us-luftfahrtriese Boeing empfiehlt nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 in Äthiopien ein vorübergehendes Startverbot für alle Flugzeuge der 737-Max-reihe weltweit unt hat dies der Us-luftfahrtbehörde FAA empfohlen. Betroffen sei „die gesamte weltweite Flotte“von 371 Maschinen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, betont der Flugzeugbauer und erklärt: „Boeing hat weiterhin volles Vertrauen in die Sicherheit der 737 Max.“Zuvor hatte Us-präsident Donald Trump den Flugstopp für die Max 8 verkündet und gesagt, die FAA werde bald bekannt geben, dass auch Maschinen des Typs Max 9 am Boden bleiben müssten. Alle Maschinen, die derzeit in der Luft seien, würden landen und dann nicht weiter eingesetzt. Piloten und Fluggesellschaften seien entsprechend informiert worden. Die Amerikaner folgen damit dem Beispiel vieler anderer Nationen, die bereits Flugverbote verhängt hatten.
Die FAA hat also eine Kehrtwende vollzogen. Bis zum Mittwochabend hatte die Behörde versichert, das Flugzeug sei flugtauglich. Einen An- lass für ein Flugverbot sah sie nicht. Die Überprüfung aller verfügbaren Daten habe keine „systemischen Leistungsprobleme“bei dem Flugzeugtyp ergeben. In den USA sind es zwei Fluglinien, die die Boeing 737 Max 8 in ihre Flotte aufgenommen haben: Southwest Airlines hat 34 Maschinen gekauft, American Airlines 24. Beide haben bisher erklärt, nach wie vor vollesvertrauen in den Jet zu haben.
An der allgemeinen Verunsiche- rung ändert es freilich nichts, zumal bekannt wurde, dass Piloten in mindestens fünf Fällen bereits vor Monaten auf Probleme mit der Software hingewiesen hatten. Übereinstimmend berichteten sie der Raumfahrtbehörde Nasa, die unabhängig von der FAA Flugdaten sammelt, dass sich die Nase ihres Flugzeugs kurz nach dem Start plötzlich nach unten richtete. Einmal, gab ein Kapitän zu Protokoll, sei dies zwei bis drei Sekunden nach dem Einschal- ten des Autopiloten geschehen. Er habe den Autopiloten abgeschaltet, worauf die Maschine ihren Aufstieg normal fortgesetzt habe.
Die FAA hat aus Sicht von Experten mit ihrem Zögern ihren guten Ruf aufs Spiel gesetzt. So jedenfalls sieht es Mary Schiavo, einst Generalinspekteurin im Verkehrsministerium, heute Rechtsanwältin. Man könne ein Flugzeugmodell einfach nicht als sicher einstufen, wenn gerade zwei Maschinen dieses Modells vom Himmel gefallen seien, rügte sie. In Sachen Flugsicherheit sehen sich die USA immer noch als Nummer eins in der Welt, als die eine Nation, die für alle die Standards setzt. Auch in der jetzigen Debatte mangelt es nicht an Stimmen, die betonen, wie sicher das Fliegen sei. Das bislang letzte große Unglück ereignete sich 2009 in der Nähe von Buffalo, wo 50 Menschen starben.
Nun ist der Eindruck entstanden, die FAA habe Boeing entlasten wollen. Tatsächlich ist sie eng mit dem Konzern verbandelt. Hatte sie sich bis 2005 noch auf unabhängige Fachleute verlassen, um Sicherheitszeugnisse auszustellen, so stützt sie sich heute ganz wesentlich auf die Kapazitäten des Herstellers. Laut Us-medien arbeiten Boeing-ingenieure Tür an Tür mit den Faa-prüfern, bisweilen übernehmen sie auch deren Aufgaben. Auch personell gibt es enge Verflechtungen zwischen Staat und Unternehmen. Patrick Shanahan arbeitete 31 Jahre für Boeing, bevor er ins Pentagon berufen wurde.