Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ärger nach Flucht von Seniorin aus Heim

Demente 80-Jährige verlässt geschützte­n Bereich ungehinder­t. Die Polizei sucht sie, ein Taxifahrer bringt sie zurück. Tags darauf wird sie entlassen. Laut Heim will die Dame dort nicht wohnen. Die Angehörige­n fühlen sich im Stich gelassen.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

GREVENBROI­CH Es ist die Nacht vom 6. auf den 7. Februar gegen 2.15 Uhr, als ein Taxifahrer am Montanusho­f einen Fahrgast aufnimmt. Es ist eine 80 Jahre alte Dame, die nach Korschenbr­oich gefahren werden möchte. Der Taxifahrer fährt los, dann hört er einen Funkspruch: Die Polizei suche eine demente Seniorin, die aus dem geschützte­n Bereich des Albert-schweitzer-seniorenha­us geflüchtet ist. Der Taxifahrer erkennt schnell: Die Gesuchte sitzt neben ihm.

Der Fahrer bringt die Seniorin rasch zurück ins Heim, auch die Polizei wird informiert. Die 80-Jährige, die erst einen Tag zuvor in das Albert-schweitzer-haus eingezogen ist, will unbedingt nach Hause. „Meine Schwiegerm­utter kann zu Hause aber nicht alleine sein. Sie weiß nicht mehr, was sie sagt. Die Demenz ist stark vorangesch­ritten. Deshalb hatten wir ein Jahr lang auf den Platz im Heim gewartet“, berichtet Schwiegert­ochter Susanne Hirschberg, die auch für ihren Ehemann, den Sohn der Betroffene­n, spricht.

Was am Morgen nach der Flucht passiert, macht das Ehepaar Hirschberg fassungslo­s: Ihre Mutter wird aus dem Heim entlassen – auf eigenen Wunsch, wie das Albert-schweitzer-haus mitteilt. Die Hirschberg­s stellen das anders dar: Die Pflegedien­stleiterin habe ihnen gesagt, das Haus könne sich keine Einsätze der Polizei leisten, die Mutter müsse es verlassen.

Jörg und Susanne Hirschberg haben zwar eine Vollmacht, sie seien jedoch nicht gehört worden. Auch habe zu diesem Zeitpunkt noch kein Vertrag über die Unterbring­ung im Albert-schweitzer-haus bestanden. „Wir können uns nicht erklären, wie meine Schwiegerm­utter mitten in der Nacht ungehinder­t das Haus verlassen konnte“, sagt Susanne Hirschberg. „Wir hatten gedacht, das Haus sei spezialisi­ert auf Senioren mit starkem Bewegungsd­rang. Deshalb hatten wir uns ja für das Albert-schweitzer-haus entschiede­n.“

Tatsächlic­h verfügt das Heim über einen geschützte­n Bereich, in dem 18 demenziell veränderte Menschen untergebra­cht sind.„die Menschen leben freiwillig hier. Da der Bereich nur geschützt und nicht geschlosse­n ist, können die Bewohner diesen auch selbständi­g verlassen“, sagt Einrichtun­gsleiterin Ines Netzer-schikora. In einem Protokoll, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass die Flucht der 80-Jährigen erst durch eine piepende Tür bemerkt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Seniorin jedoch bereits verschwund­en. Das Personal habe das Haus und den Außenberei­ch vergeblich abgesucht.

Das Ehepaar ärgert sich darüber, dass die 80-Jährige „keine zweite Chance bekommen“habe, es fühlt sich im Stich gelassen. Das Al- bert-schweitzer-haus bezieht Stellung: „Wir haben noch nie jemanden des Hauses verwiesen. Wenn ein Bewohner selbst nicht bei uns wohnen möchte, dann akzeptiere­n wir dies – auch wenn die Angehörige­n mit einervollm­acht gerne etwas anderes hätten.“Ihre Schwiegerm­utter habe das Hin und Her stark mitgenomme­n, berichtet Susanne Hirschberg. Nach einem Aufenthalt in einer Psychiatri­e und der erneuten Unterbring­ung in einem Heim in Jüchen habe die 80-Jährige nun einen so starken Demenz-schub erlitten, dass sie sich kaum mehr richtig äußern könne.

 ?? FOTO: CKA ?? Jörg und Susanne Hirschberg vor dem Albert-schweitzer-haus. Im Februar ist ihre Mutter dort ausgebüchs­t. Das Ehepaar musste sich danach um einen neuen Heim-platz für sie bemühen.
FOTO: CKA Jörg und Susanne Hirschberg vor dem Albert-schweitzer-haus. Im Februar ist ihre Mutter dort ausgebüchs­t. Das Ehepaar musste sich danach um einen neuen Heim-platz für sie bemühen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany