Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Lügde-prozess soll Ende Juni beginnen

Die Anklagesch­rift gegen zwei Beschuldig­te liegt vor. Einer davon soll nach dem Willen seines Verteidige­rs sofort aus der Untersuchu­ngshaft entlassen werden. Ob die mutmaßlich­en Opfer vor Gericht erneut aussagen müssen, ist unklar.

- VON C. HAUSER, R. KOWALEWSKY, T. REISENER UND C. SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/LÜGDE Der Prozess gegen die mutmaßlich­en Kinderschä­nder von Lügde könnte laut zuständige­m Landgerich­t Detmold Ende Juni oder Anfang Juli starten. Die Staatsanwa­ltschaft hat die Anklagesch­rift gegen zwei Beschuldig­te fertiggest­ellt. Bei einem von ihnen handelt es sich um den 56 Jahre alten Dauercampe­r aus dem Kreis Lippe, der zusammen mit einem 34-Jährigen als Hauptbesch­uldigter gilt. Die beiden sollen jahrelang in etwa 1000 Fällen mehr als 40 Kinder sexuell missbrauch­t und dabei gefilmt haben. Der zweite Beschuldig­te, gegen den die Anklage vorliegt, ist ein 49-Jähriger aus Stade, der die Taten in zwei Fällen per Videochat verfolgt haben soll. Die Anklage gegen den 34-Jährigen soll „in Kürze“folgen, zitiert die Deutsche Presseagen­tur die Anklagebeh­örde.

In der bislang vorliegend­en Anklagesch­rift geht es um rund 300 Fälle von sexuellem Missbrauch, davon rund 230 schwere Fälle. Das erfuhr unsere Redaktion aus Justizkrei­sen. Als Geschädigt­e werden in den bisherigen Anklage-schriftsät­zen 21 Kinder und Jugendlich­e genannt, deren Aussagen den Kern der Anklage bilden. Die Behörden wollen öffentlich erst über den genauen Inhalt der Anklage informiere­n, wenndie Schriften den Beschuldig­ten zugestellt worden sind.

Der Anwalt des 49-jährigen Heiko V. fordert dessen Freilassun­g aus der Untersuchu­ngshaft. Jann Henrik Popkes sagte unserer Redaktion: „Die Untersuchu­ngshaft für meinen Mandanten ist nicht mehr angemessen.“Er sei inzwischen begutachte­t worden und, so Popkes, „der Gutachter hat bei meinem Mandanten weder eine psychische Störung, noch eine grundsätzl­ich pädophile Neigung festgestel­lt.“Eine mögliche Wiederholu­ngsgefahr komme als Haftgrund nicht mehr in Betracht.

Popkes spricht von bizarren Details, mit denen die mutmaßlich­en Haupttäter sich offenbar gegenüber ihrem Chatpartne­r abgesicher­t haben sollen. „Mein Mandant wurde nach eigenen Angaben zuvor vom Organisato­r des Chats aufgeforde­rt, den Raum, in dem er sich aufhält, auszuleuch­ten. Der Organisato­r wollte wohl sicher gehen, dass es keine weiteren Zeugen gibt“, sagt Popkes.

Unklar ist, ob bereits vernommene Opfer vor Gericht erneut aussagen müssen. „Es ist denkbar, dass die Kinder vor Gericht noch einmal aussagen müssen“, sagte Rechtsanwa­lt Roman von Alvenslebe­n unserer Redaktion, der eines der Opfer vertritt. Das hänge auch vom Verhalten der Angeklagte­n vor Gericht und ihrer Verteidigu­ng ab. Üblich sei, dass die Kinder erst vernommen werden, bevor sie eine Thera

Auf den sexuellen Missbrauch von Kindern stehen in Deutschlan­d sechs Monate bis zwei Jahre Haft. Bei einem schweren Fall sind es mindestens zwei Jahre Haft, die Höchststra­fe liegt bei 15 Jahren Gefängnis. pie beginnen.„eine Traumather­apie beeinfluss­t die Aussage. Und diese Aussage kann dann möglicherw­eise nicht verwertet werden“, so von Alvenslebe­n.

Opfer-anwalt Peter Wüller, der vier mutmaßlich­e Opfer zwischen vier und 13 Jahren vertritt, sagte: „Die Kinder, die ich vertrete, werden von einer Kinderpsyc­hologin betreut, und das sehr gut.“

Die Opferbeauf­tragte des Landes Nordrhein-westfalen, Elisabeth Auchter-mainz, erklärt: „Es gibt die Meinung, dass eine Therapie die Aussagefäh­igkeit beeinträch­tigen kann. Es ist Sache des Richters, das zu beurteilen.“Unstrittig sei aber eine von Fachleuten begleitete, psychische Stabilisie­rung der Opfer, weil diese oft überhaupt auch erst die Voraussetz­ung für eine Vernehmung schaffe. Aber „wenn ein Betroffene­r eine Therapie braucht, geht der Opferschut­z vor“, so Auchter-mainz. Sie wisse, dass auch im Fall Lügde bereits mehrere Opfer eine Therapie begonnen hätten.

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FOTO: GUIDO KIRCHNER/DPA Ein Kindertret­auto und ein Hüpfball liegen vor der zum Teil abgerissen­en Parzelle des mutmaßlich­en Täters auf dem Campingpla­tz Eichwald in Lügde. Dort sollen über 40 Kinder missbrauch­t worden sein.

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