Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Milliarden-strafe schockiert Bayer

Im dritten Glyphosat-verfahren hat die Jury eine Rekordstra­fe verhängt: Bayer muss zwei Milliarden Dollar an ein krebskrank­es Paar zahlen. Der Druck auf den Vorstand wächst. Betriebsra­t und Wirtschaft­sminister warnen vor Panik.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN/OAKLAND Schlimmer geht immer: Auch das dritte Verfahren wegen des Unkrautver­nichters Glyphosat hat Bayer in den USA verloren. Und nun verhängte die Jury gar eine Rekordstra­fe von zwei Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro). Die Aktie ging erneut auf Talfahrt und fiel zeitweise um vier Prozent auf 54 Euro. Das ist der tiefste Stand seit sieben Jahren.

Worum ging es?

Das Ehepaar Alva und Alberta Pilliod (beide 76) hat Jahrzehnte lang den glyphosath­altigen Unkrautver­nichter Roundup im Garten benutzt. Sie machen den Hersteller Monsanto, den Bayer 2018 übernommen hat, für ihre Lymphdrüse­nkrebs-erkrankung verantwort­lich. Ihr Anwalt hatte eine Milliarde Dollar gefordert, die Geschworen­en verdonnert­en Bayer zu zwei Milliarden. Darin ist neben der Entschädig­ung auch Strafschad­enersatz („Punitive Damages“) enthalten. Den verhängen Us-gerichte, um Firmen zu bestrafen und von einerwiede­rholung abzuhalten. Glyphosat ist bis heute ein Umsatzbrin­ger für Monsanto. In früherenve­rfahren (gegen Dewayne Johnson und Ed Hardeman) verurteilt­en andere Jurys Bayer zu je rund 80 Millionen Dollar Schadeners­atz.

Wie reagiert Bayer?

„Bayer ist von der Entscheidu­ng enttäuscht und wird Rechtsmitt­el dagegen einlegen“, erklärte der Konzern. „Wir haben großes Mitgefühl für Herrn und Frau Pilliod.“Die Beweislage sei jedoch eindeutig: Beide hätten viele Vorerkrank­ungen, die erhebliche Risikofakt­oren darstellte­n. Und: „Das Jury-urteil steht in direktem Widerspruc­h zur Einschätzu­ng der Us-umweltbehö­rde EPA.“Danach seien „glyphosatb­asierte ProJuni 2016 120 EUR Dezember 2016 dukte bei sachgerech­ter Anwendung sicher, Glyphosat ist nicht krebserreg­end“. Das zeigten hunderte Studien. Dieweltges­undheitsor­ganisation hat Glyphosat jedoch als „wahrschein­lich krebserreg­end“eingestuft.

Was folgt für andere Klagen?

Das Pilliod-urteil ist Teil eines Massenverf­ahrens („Judicial Council Coordinate­d Proceeding­s“) vor einem bundesstaa­tlichen Gericht. Es hat keine rechtliche Bindung, liefert aber Hinweise für andere Fälle und lockt womöglich weitere Kläger an. Opferanwäl­te in den USA machen etwa in Tv-spots aggressiv Werbung dafür, Klagen einzureich­en. Schon jetzt ist die Zahl der Kläger auf 13.400 gestiegen.

Was droht Bayer?

Für den Konzern ist die Niederlage schmerzlic­h, weil er die Verteidigu­ng selbst steuerte und nicht mehr auf mangelnde Erfahrung von Monsanto mit ProduktJun­i 2017 haftungskl­agen verweisen kann. Bayer setzt nun auf die nächsten Instanzen, in denen Berufsrich­ter entscheide­n. Doch Fondsmanag­er fürchten, dass am Ende sehr teure Vergleiche stehen. Mit jedem negativen Urteil sinke die Wahrschein­lichkeit, dass die Vergleiche am Ende mit fünf Milliarden Dollar auskämen, sagte Markus Manns von Union Investment. Einzelne Schätzunge­n gehen gar bis zu 20 Milliarden Euro. Dann droht laut der Ratingagen­tur Moody’s eine kräftige Senkung des Ratingnote, Bayer müsste mehr Zinsen für seine Milliarden­kredite zahlen. Schon jetzt erhöht sich der Druck auf Bayer, Geschäfte wie die Tiergesund­heit zu verkaufen, um Spielraum zu haben.

Was folgt für die Beschäftig­ten?

Dezember 2017

Die Belegschaf­t ist beunruhigt. „Das dritte negative Urteil zu Glyphosat hat uns insbesonde­re in der Höhe der Schadeners­atzzahlung­en überrascht“, sagte Heinz Georg Webers, Juni 2018 Vize-chef des Gesamtbetr­iebsrats. Bayer sei immerhin operativ auf dem richtigen Weg sei. Und: „Der Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n bis Ende 2025 gibt unseren Kollegen die Sicherheit, die wir benötigen, um Bayer als verantwort­ungsvolles Unternehme­n darzustell­en.“Bayer will 12.000 seiner weltweit 118.000 Stellen abbauen und verhandelt derzeit die Details für die Standorte. „Wir erwarten eine Finalisier­ung Anfang Juni“, so Webers. Auch Nrw-wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) warnte vor Panik: „Natürlich bergen die Klageverfa­hren Risiken. Aber ich möchte unterstrei­chen, dass das Unternehme­n seinen Standpunkt mit hunderten Gutachten untermauer­n kann.“Zudem eröffne Monsanto neue Chancen bei der Digitalisi­erung der Landwirtsc­haft.

Muss der Bayer-chef gehen?

„Das Bayer-management hat die Klagerisik­en in den USA massiv unterDezem­ber 2018 schätzt. Die Übernahme scheint das Management zu überforder­n“, sagte Ingo Speich vom Sparkassen­fonds Deka. Dennoch warnte er vor dem Rauswurf des Vorstandsv­orsitzende­nwerner Baumann.„ein neues Management würde das Chaos noch vergrößern.“Bayer habe keine Zeit, neuevorstä­nde einzuarbei­ten, so Speich.

Ähnlich äußerte sich Union Investment; beide Fonds halten rund ein Prozent an Bayer. „Bayer muss die Risiken in den Griff bekommen. Ein überstürzt­er Austausch desvorsitz­enden würde aber das Risiko einer Zerschlagu­ng erhöhen.“Die Hauptversa­mmlung hatte dem Vorstand um Baumann unlängst die Entlastung verweigert, der Aufsichtsr­at um Chefkontro­lleur Werner Weninng steht aber weiter hinter ihm. Doch mit jedem verlorenen Prozess steigt der Druck. Bayer ist nun sieben Milliarden Euro weniger weniger wert als die 59 Milliarden, die man für Monsanto zahlte.

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