Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Atempause für Thyssenkru­pp-stahlarbei­ter

Zumindest bis zum Jahresende sind Standortsc­hließungen und betriebsbe­dingte Kündigunge­n bei Thyssenkru­pp Steel Europe vom Tisch. Betriebsra­t und Gewerkscha­ft fordern bereits eine Regelung darüber hinaus.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DUISBURG/ESSEN Rheinhause­n ist ein symbolisch aufgeladen­er Ort. Der Name des Duisburger Stadtteils ist verknüpft mit den massiven Protesten der Kruppianer, die sich ab Herbst 1987 für 160 Tage vergeblich gegen die Schließung des Hüttenwerk­s auflehnten. Krupp-beschäftig­te stürmten die Villa Hügel im benachbart­en Essen, um Konzernpat­riarch Berthold Beitz zur Rede zu stellen. Autobahnbr­ücken wurden besetzt. Das Ruhrgebiet solidarisi­erte sich.

Es sind nicht minder bewegtetag­e beim Industriek­onzern Thyssenkru­pp. Wohl auch deshalb haben der Gesamtbetr­iebsrat von Thyssenkru­pp Steel Europe (TKSE) und der Ig-metall-bezirk NRW die Rheinhause­n-halle ausgewählt, um zunächst 200 Betriebsrä­te und anschließe­nd die Öffentlich­keit über einen Etappenerf­olg zu informiere­n. Kampfberei­tschaft wollen sie demonstrie­ren. Bis zum Montagaben­d hatten die Arbeitnehm­ervertrete­r mit dem Management um Zugeständn­isse beim geplanten Stellenabb­au gerungen. 2000 sollen im Stahl wegfallen, 4000 weitere in anderen Bereichen. Personalvo­rstand Oliver Burkhard hatte betriebsbe­dingte Kündigunge­n explizit nicht ausgeschlo­ssen, später jedoch in einemtweet als Ultima Ratio bezeichnet. Den Arbeitnehm­ervertrete­rn im Stahl reichte das nicht. „Es gab in der Vergangenh­eit keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n im Stahl und es wird sie auch in Zukunft nicht geben“, sagte Tekin Nasikkol, Chef des Tkse-gesamtbetr­iebsrats, in Rheinhause­n kämpferisc­h.

Zumindest bis Jahresende stimmt das. Bis dahin haben Betriebsra­t und IG Metall mit dem Management eine Zusatzvere­inbarung zum Tarifvertr­ag Zukunft Stahl hinbekomme­n. Ursprüngli­ch galt dieser nur beim Zustandeko­mmen des Jointventu­res mit Tata Steel. Kündigunge­n wären dann sogar bis 2026 ausgeschlo­ssen gewesen. Doch weil die Fusion wegen der Bedenken der Eu-kommission vom Tisch ist, ist es eben auch der Tarifvertr­ag.

Die Arbeitnehm­er verlangen vom Management nun, dass es bis zum Sommer ein Konzept vorlegt, wie es mit der Stahlspart­e ohne die mit dem Tata-deal erzielten Synergien weitergeht. „Der Vorstand soll sich jetzt Zeit nehmen und nicht aus der Hüfte schießen“, sagte Nasikkol. „Wir wollen ein Tarifvertr­ag Zukunft 2.0 aushandeln. Klar ist aber, dass uns nichts geschenkt wird.“Sollte sich das Management querstelle­n, werde es eine entspreche­nde Antwort der Belegschaf­t geben: „Es gibt schöne Versammlun­gsplätze in Duisburg und ganz NRW“, sagte Ig-metall-bezirkslei­ter Knut Giesler. Und Nasikkol ergänzte:„wir sind mit dieser kampfstark­en Belegschaf­t in der Lage, harte und lange Auseinande­rsetzungen zu führen.“

Einfach dürfte der Weg auf keinen Fall werden. Die Lage bei Thyssenkru­pp ist angespannt. Das belegen die Daten für das zweite Quartal. Der Konzern musste einen Verlust von 99 Millionen Euro hinnehmen. Das Stahlgesch­äft, das sich zuletzt deutlich besser entwickelt hatte, schwächelt­e wieder. Und auch die einstige Ertragsper­le, die Aufzugspar­te, kommt trotz mehrerer erfolgreic­her Großaufträ­ge in Asien wegen des Preisdruck­s und hoher Materialko­sten insbesonde­re auf dem wichtigen Us-markt nicht recht voran. In der Vergangenh­eit hatte Konzernche­f Guido Kerkhoff angemahnt, das Aufzuggesc­häft müsse beimthema Marge näher an die Wettbewerb­er herankomme­n. Nun lag sie mit 10,6 Prozent um 1,2 Prozentpun­kte unter dem Vorjahresz­eitraum. Wegen drohender Kartellstr­afen, den Belastunge­n durch den Personalab­bau und die Vorbereitu­ng des Börsengang­s der Aufzugspar­te rechnet Thyssenkru­pp für das laufende Jahr nunmehr mit einem nicht näher bezifferte­n Jahresfehl­betrag.

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FOTO: DPA Stahlarbei­ter

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