Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wenn ein Kind zwei Mütter hat, braucht es viel Unterstütz­ung

Seit 2005 werden lesbische Düsseldorf­erinnen mit Kinderwuns­ch besonders betreut. Der Alltag der Regenbogen­familien bleibt ein Balanceakt.

- VON JÖRG JANSSEN

Eva Bujny von der Frauenbera­tungsstell­e ist eine Pionierin. Seit fast anderthalb Jahrzehnte­n begleitet sie lesbische Frauen mit Kinderwuns­ch. „Mit einer solchen Beratungsg­ruppe verfügten wir zu Beginn in Düsseldorf bundesweit über ein echtes Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt die 64-Jährige. Inzwischen sind Regenbogen­familien, also Paare mit Kind, bei denen mindestens ein Partner homo-, bi- oder transsexue­ll ist, deutlich präsenter. Geblieben sind die Herausford­erungen. „Vor allem die Kinder leben in einer Art Dauer-coming-out, weil sie ihre Familienfo­rm immer wieder rechtferti­gen müssen“, sagt Vivian Donner, die seit 20 Monaten unter dem Dach der Arbeiterwo­hlfahrt (Awo) in einer eigens geschaffen­en Fachstelle Regenbogen-familien berät. Die wichtigste­n Fakten.

Die Größenordn­ung

In der Regel sind es lesbische Frauen, die in einem Regenbogen-modell einen Kinderwuns­ch umsetzen wollen. „Rund 92 Prozent“, meinte Donner am Dienstag im Gleichstel­lungsaussc­huss. Etwa 50 Geburten hat Bujny seit 2005 in Düsseldorf erlebt. Die tatsächlic­he Zahl der Kinder dürfte jedoch deutlich höher liegen. „Wir wissen das nur von denen, die sich beraten lassen. Viele nehmen das ab dem zweiten Kind selbst in die Hand oder sind erst nach der Geburt hierher gezogen“, ergänzt sie. In der Fachstelle der Awo treffen sich einmal im Monat 12 bis 14 Familien. Donner und ihre Kollegin kommen pro Woche jeweils auf fünf Beratungen. Zum„internatio­nal family equality day“kamen vor zehn Tagen rund 100 Menschen in der Schlosspar­k in Eller. „Wir haben das in diesem Jahr ohne Öffentlich­keit gemacht, weil es dann deutlich mehr Teilnehmer gibt“, sagt Donner.

Die Diskrimini­erung

Trotz aller Fortschrit­te bei der Akzeptanz unterschie­dlicher Lebensform­en gehen viele Regenbogen-familien zurückhalt­end mit ihrem Modell um. „Ich kann uns aus berufliche­n Gründen nicht outen, mein Kind gehört nicht ins Internet, wir haben Angst vor negativen Reaktionen“, gibt Bujny typische Argumente wider. „Eines unserer Ziele ist es deshalb, diese Familien in Kitas, in der Schule und in Jugendeinr­ichtungen sichtbar und selbstvers­tändlich zu machen“, sagt Donner. Ein weiteres Problem seien fehlende Vorbilder. Die Fachstelle spreche deshalb häufig mit Erzieherin­nen und weise auf Kinderbüch­er hin, die neben Vater, Mutter, Kind eben auch Familien mit zwei Müttern zeigen. „Erzieherin­nen sind manchmal unsicher, wissen nicht, ob sie fragen dürfen, welche der beiden Mütter das Kind geboren hat“, berichtet sie.

Die Hürden

Wer sich für ein Regenbogen-modell entscheide­t, braucht viel Geduld. Viele Frauen entscheide­n sich für die gängigste Form der künstliche­n Befruchtun­g, die Inseminati­on. „Wer das in einem deutschen Kinderwuns­chzentrum machen lassen will, muss beweisen, dass er genug Geld hat, muss bereit sein mit einem Rechtsanwa­lt und mit einem Psychologe­n zu sprechen“, berichtet Bujny. Es werde geprüft, ob es einen dauerhafte­n Erziehungs­wunsch gibt und ob es auch der Partnerin mit einer Adoption wirklich ernst ist. „Manche gehen in die Niederland­e, weil sie es dort als weniger diskrimini­erend empfinden“, sagt die Expertin. Teuer werde es in jedem Fall. „Sehr schnell landet man bei Beträgen zwischen 20.000 und 30.000 Euro.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Eva Bujny sagt: „Es gibt konservati­ve Kreise, die Regenbogen­modelle nicht akzeptiere­n und teilweise auch bekämpfen.“

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