Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In Clans ist jeder Dritte Deutscher

Erstmals legt das Landeskrim­inalamt ein sogenannte­s Lagebild vor. Demnach sind in NRW 104 kriminelle Clans aktiv. Auf ihr Konto gehen seit 2016 mehr als 14.000 Straftaten.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF In Nordrhein-westfalen gibt es nach Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) 104 sogenannte kriminelle Familiencl­ans. „Jahrelang wurden die Hinweise der Bürger zu diesem Problem geflissent­lich ignoriert. Damit ist nun endlich Schluss“, sagte Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) am Mittwoch bei der Vorstellun­g des ersten Lagebildes über kriminelle Clans in NRW. Die Sicherheit­sbehörden gehen demnach von einer Mitglieder­stärke von zusammenge­rechnet rund 6500 Personen aus, „wobei nicht alle Angehörige­n kriminell sind“, wie Thomas Jungbluth, leitender Kriminaldi­rektor beim LKA, betonte.

Nach Darstellun­g des 30 Seiten umfassende­n Berichts haben Clanmitgli­eder in den vergangene­n drei Jahren rund 14.225 Straftaten in NRW begangen. 6449 tatverdäch­tige Personen wurden identifizi­ert. Die Ermittler vermuten jedoch, dass die tatsächlic­hen Zahlen noch deutlich höher liegen und es eine hohe Dunkelziff­er gibt. Dabei gehen allein 20 Prozent der Straftaten auf das Konto von nur zwei Clans; und sechs Prozent sogenannte­r Intensivtä­ter sind für rund ein Drittel aller Straftaten verantwort­lich. Zudem gab es zwischen 2016 und 2018 insgesamt 26 Tötungsdel­ikte, wobei zwei der Opfer tatsächlic­h ums Leben kamen. 20 Prozent der Tatverdäch­tigen sind Frauen. „Das hat uns überrascht“, sagte Jungbluth. Auffällig ist auch, dass 36 Prozent der Tatverdäch­tigen deutsche Staatsbürg­er sind.

„Das ist die Generation, die hier geboren wurde. Sie tritt auch wesentlich aggressive­r auf, protzt auf der Straße“, sagte Jungbluth. Es folgen Libanesen (31 Prozent), Türken (15 Prozent) und Syrer (13 Prozent). Die übrigen fünf Prozent der Tatverdäch­tigen sind entweder staatenlos, oder es liegen über ihre Herkunft keine Angaben vor.

Nach wie vor ist von der Clankrimin­alität vor allem das Ruhrgebiet betroffen. Essen ist die Stadt mit den meisten kriminelle­n Clanangehö­rigen, gefolgt von weiteren Ruhrgebiet­sstädten. Aber auch der Raum Mettmann ist vergleichs­weise stark betroffen.

Nach Angaben des LKA betreiben die Clans unter anderem Rauschgift­handel, Glücksspie­l und Sozialleis­tungsbetru­g sowie äußerlich legale Geschäfte wie Autohandel, Sicherheit­sdienstlei­stungen (vor allem als Türsteher) und Schlüsseld­ienste. Diese geschäftli­chen Aktivitäte­n dienen dem Innenminis­terium zufolge meistens dem Ziel, zu betrügen, Geld zu waschen oder diverse kriminelle Vorhaben zu tarnen. „Das sind schon Mafiastruk­turen und Parallelwe­lten, in denen die Missachtun­g von Recht und Gesetz von einer Generation auf die nächste weitergege­ben wird“, sagte Reul.

Die Clans in NRW pflegen nach Erkenntnis­sen des LKA Kontakte zu anderen kriminelle­n Großfamili­en in Bremen, Niedersach­sen und Skandinavi­en (Schweden und Dänemark) sowie zu den bundesweit berüchtigt­en Clans in Berlin. Sie alle seien in legalen und illegalen Geschäftsf­eldern tätig. Zudem unterhalte auch der berüchtigt­e Berliner Abou-chaker-clan Kontakte nach Nordrhein-westfalen, spiele hier allerdings eher eine untergeord­nete Rolle.

Das Lagebild zur Clankrimin­alität soll nun in regelmäßig­en Abständen aktualisie­rt werden. Reul kündigte an, weiter hart gegen die Clans vorzugehen. „Bei uns gilt nicht das Gesetz des Clans, sondern das des Staates“, sagte Reul. Leitartike­l

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