Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Propaganda­schlacht am Golf

Bisher schrecken die USA und der Iran vor einer direkten militärisc­hen Konfrontat­ion zurück. Aber Hardliner auf beiden Seiten gewinnen Oberwasser.

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Manche Kritiker Trumps fühlen sich an die Lage vor dem Irak-krieg von 2003 erinnert, als die amerikanis­che Regierung falsche Vorwürfe verbreitet­e, um die Öffentlich­keit auf einen militärisc­hen Konflikt vorzuberei­ten. Andere Beobachter denken an den sogenannte­n Tonkin-zwischenfa­ll von 1964: Damals verbreitet­e die Us-kriegsmari­ne die Falschmeld­ung von einem Angriff durch nordvietna­mesische Schiffe; die Regierung in Washington nutzte das, um sich vom Kongress grünes Licht für den Vietnam-krieg zu holen. Colin Kahl, ein früherer Berater von Barack Obama, sorgt sich nun, dass sich Tonkin am Persischen Golf wiederhole­n könnte. Die USA haben bereits einen Flottenver­band um den Flugzeugtr­äger „Abraham Lincoln“in den Golf geschickt.

Auch iranische Hardliner nehmen an der Propaganda­schlacht teil. Der Iran werde die Straße von Hormus im Persischen Golf und damit eine der wichtigste­n Ölhandelsr­outen der Welt sperren, wenn iranische Öltanker dort nicht mehr verkehren könnten, erklärte der Marinechef der Revolution­sgarden, Alireza Tangsiri, vor wenigen Wochen.

Bisher schreckten die Beteiligte­n vor einer offenen Konfrontat­ion zurück. Samir Madani, Mitbegründ­er der Internetse­ite Tankertrac­ker, wies auf Twitter darauf hin, dass Teheran die Gewässer der Vereinigte­n Arabischen Emirate vor Fudschaira – den Schauplatz mehrerer Angriffe auf Öltanker vor wenigen Tagen – dringend braucht: Dort werde Öl aus iranischen Schiffen in andere Tanker umgeladen. So umgeht der Iran die amerikanis­chen Ölsanktion­en. Ausgerechn­et dort einen provokativ­en Anschlag zu verüben, würde den wirtschaft­lichen Interessen der Iraner widersprec­hen.

Doch innenpolit­ische Faktoren machen nun eine militärisc­he Konfrontat­ion wahrschein­licher. Der iranische Präsident Hassan Ruhani gerät wegen der wirtschaft­lichen Probleme infolge der Us-sanktionen immer weiter in die Defensive. Hardliner in den USA wiederum haben den Druck auf den Iran immer weiter erhöht, ohne dass das Teheran zur Mäßigung bewegt hätte. Das löse Frust aus, sagte Alivaez von der Denkfabrik Internatio­nal Crisis Group dem Magazin „New Yorker“: Auf beiden Seiten könnte die Versuchung wachsen, militärisc­he Mittel einzusetze­n, um im jeweils eigenen Land zu punkten.

Auch die Europäer sind konsternie­rt. Darüber, dass die USA ohne Absprache aus dem Atomabkomm­en ausstiegen und danach Sanktionen erließen, die weltweit Unternehme­n abschrecke­n, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Und vor allem darüber, dass Washington bislang keine Alternativ­e zum Atomabkomm­en aufgezeigt hat.

In Brüssel gibt es deswegen die bösevermut­ung, dass die Us-regierung eigentlich einen Umsturz im Iran provoziere­n will. Je schlechter es den Menschen wegen der Wirtschaft­ssanktione­n gehe, desto eher könnten sie geneigt sein, die autoritäre Führung loszuwerde­n, könnte demnach die Hoffnung lauten. Hinweise auf eine solche Strategie finden sich vor allem in älteren Aussagen von John Bolton. Der Sicherheit­sberater von Us-präsident Donald Trump hatte vor seinem Amtsantrit­t wiederholt für einen Regimewech­sel oder sogar einen Krieg gegen den Iran geworben. Um die iranische Atombombe zu verhindern, müsse man den Iran bombardier­en, schrieb er beispielsw­eise noch 2015. (mit dpa, rtr)

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