Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wimmelbild­er vom Bauernbrue­gel

Brüssel feiert den 450. Todestag von Pieter Bruegel dem Älteren. In wundervoll­en Farben malte er das alte Flandern.

- VON BERTRAM MÜLLER

BRÜSSEL Pieter Bruegel starb in einem der wohlhabend­sten Viertel von Brüssel. Dort hatte er sich nach einer Zeit in Antwerpen mit seiner frisch angetraute­n Mayken niedergela­ssen, dort fühlte er sich seinen mächtigen Mäzenen nahe. An deren Wohnsitz, auf dem Mont des Arts, dem heutigen Kunstberg inmitten der Stadt, findet sich in den Königliche­n Museen der Schönen Künste die zweitgrößt­e Bruegel-sammlung der Welt, nach dem Kunsthisto­rischen Museum in Wien.

Sein Werk ist schmal: Gerade mal 40 Gemälde hat Bruegel geschaffen

Alswien im Herbst 2018 mit einer vielbeacht­eten Ausstellun­g Bruegels Todestag, den 9. September 1569, schon ein Jahr vor dem Termin feierte, galt dieses Ereignis trotz des geringen Kernumfang­s als Sensation. Denn von den 40 Gemälden, die Bruegel geschaffen hatte und die heute oft nicht mehr transportf­ähig sind, umfasste sie immerhin 27, davon eines, dessen Zuschreibu­ng umstritten ist. Das Kunsthisto­rische Museum selbst besitzt davon zwölf Bilder, darunter den „Turmbau zu Babel“, der unserevors­tellung von diesem legendären Ereignis bis heute bestimmt; dazu „Jäger im Schnee“, „Bauernhoch­zeit“und„kampf zwischen Fasching und Fasten“. Wohl jeder hat diese Werke schon einmal gesehen, wenn nicht im Original, dann doch auf einer der Millionen von Reprodukti­onen.

Die Königliche­n Museen der Schönen Künste in Brüssel beherberge­n sechs Gemälde von Bruegel, wobei eines davon jene „Landschaft mit dem Sturz des Ikarus“ist, um deren Zuschreibu­ng sich die Gelehrten streiten.mit diesem schmalen Werk von 40 Gemälden, ergänzt um 90 Radierunge­n und Stiche in der Königliche­n Bibliothek zu Brüssel, hat Pieter Bruegel der Ältere Kunstgesch­ichte geschriebe­n. Zwei Drittel der Gemälde entstanden in Brüssel und im angrenzend­en Pajottenla­nd. Bis 1559 signierte er seine Bilder mit „Brueghel“, danach mit Bruegel“, am liebsten in Großbuchst­aben, denn er war ja selbst eine Größe.

Der Reiz von Bruegels Bildern liegt darin, dass man sich an ihnen kaum sattsehen kann. Man hat sie auchwimmel­bilder genannt. Überall geschieht etwas, oft inszeniere­n sie eine verkehrte Welt, führen Zwitterwes­en und Dämonen ins Feld und gießen Spott über das Leben der Dörfler. Das wird die nicht gefreut haben, umso mehr aber wohlhabend­e Kaufleute, Kardinäle und Fürsten, seine Sammler. Auf diese Weise kam auch die Bruegel-kollektion in Wien zusammen.

Pieter Bruegel hat wie viele seiner Zeitgenoss­en nach einer Lehre, übrigens bei seinem späteren Schwiegerv­ater, zunächst eine Reise nach Italien unternomme­n. Hin ging es über Lyon, zurück über den St.-gotthard-pass und durch die Schweiz. Landschaft­sdarstellu­ngen und Reiseskizz­en erwuchsen daraus, auch Stiche mit komischen Motiven, merkwürdig und bedeutungs­voll, wie bereits sein früher Beobachter Carl van Mander notierte.

Schon damals zeigte sich, dass der „Bauernbrue­gel“kein bloßer Genremaler war, der das niedere Volk ergötzen wollte. Er zählte Gelehrte zu seinen Freunden, und aus seinen Scherzen über die Laster des gemeinen Volkes leuchtete stets eine moralische Vision hervor: ein Leben in christlich­er Gestaltung. Auch das rätselhaft­e Gemälde „De Dulle Griet“, „Die Tolle Grete“, scheint diesem Schema zu entspreche­n. Es zeigt eine hünenhafte Frau, die in Harnisch und Helm durch ein Inferno schreitet. Seltsame Tier-menschlein tummeln sich darin, wie aus dem Bilderkosm­os des Hieronymus Bosch oder alsvorgrif­f auf Salvador Dalí. Womöglich wollte Bruegel durch dieses Chaos die Sehnsucht nach dem Gegenteil wecken, nach göttlicher Harmonie.

Wie gut Bruegel auf dem Klavier der Farben und Formen zu spielen verstand, das zeigt sich besonders in seinem Gemälde „Heimkehr der Jäger“, Bestandtei­l seiner Serie von Monatsbild­ern. Menschen sind darin winzig oder an den Rand gedrängt mit Hundemeute, dunkel zwischen laublosen schwarzen Bäumen. Im Hintergrun­d erkennt man verschneit­e Häuser und Gehöfte, die wie erstarrt in der Landschaft liegen. Fallende Diagonalen und nahezu abstrakte Hell-dunkel-effekte beherrsche­n die Szenerie. „Nie wieder wurden in einem Gemälde so unmittelba­r Frost und Kälte dargestell­t und zum Bildthema erhoben“, schwärmt das „Lexikon der Kunst“ aus dem Herder-verlag.

Welches Verhältnis der Bauernbrue­gel zu den Bauern hatte, das geht aus seinem „Bauerntanz“hervor. In kräftigen Farben bewegen sich die Dorfbewohn­er beiderlei Geschlecht­s über die Straße, ein Fest der Lebensfreu­de. Nur wer genau hinschaut, entdeckt die Abgründe des Wimmelbild­s: Menschen, die sich dem Alkohol ergeben und sich auch sonst ganz ungezwunge­n aufführen. Auch hier gilt: Die Fröhlichke­it des Bauerntanz­es ist nur ein Vorwand für die Mahnung zu christlich­em Lebenswand­el.

Die Bezeichnun­g „Bauernbrue­gel“dient heute vor allem als Abgrenzung von den übrigen Bruegels, die aus Pieters Ehe hervorgega­ngen sind. Sein Sohn Pieter Bruegel der Jüngere, auch Höllenbrue­gel genannt, war fast ausschließ­lich als Kopist der Werke seines Vaters tätig - und trug den ihm später verliehene­n Beinamen zu Unrecht. Denn die kleinforma­tigen Höllenszen­en, mit denen man ihn verband, gelten inzwischen als Werke seines Bruders. Dieser Bruder, Jan Bruegel der Ältere, Blumen-bruegel genannt, hatte seine Motive überwiegen­d in der Natur gefunden.

Zwei männliche Nachkommen Jans brachten es gleichfall­s als Künstler zu Ansehen. Und da Jan Bruegel der Jüngere mit seiner Frau elf Kinder hatte, von deren sieben männlichen Nachkommen fünf wiederum Maler wurden, war das Fortleben des großen Familienna­mens gesichert. Pieter Bruegel der Ältere allerdings überstrahl­t sie alle.

In der Kapellenki­rche nahe seinem Brüsseler Wohnhaus fand er in ungewissem Alter, zwischen 39 und 44, mit seiner Ehefrau den Platz seiner letzten Ruhe, dicht an der Künstlerkn­eipe„das goldene Papierblüm­chen“, wo später Magritte ein- und ausging, ein belgischer Surrealist in Bruegels übergroßen Fußstapfen.

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FOTO: DPA Das Gemälde „Der Turmbau zu Babel“von Pieter Bruegel dem Älteren entstand 1563.

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