Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Minimalism­us aus der Stille

Mark Knopfler, einst Kopf der Dire Straits, begeistert 14.000 Fans in Köln.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Köln Mark Knopfler wirkt müde, abgekämpft und grau. Leicht windschief steht er vor dem Mikrofonst­änder. „Ich mache das jetzt schon so lange, aber ich liebe die Musik so sehr“, sagt er. Und die 14.000 Fans in der ausverkauf­ten Lanxess-arena fragen sich: Ist das eine Entschuldi­gung dafür, dass er mit 69 Jahren immer noch auf der Bühne steht? Höchstens vor sich selbst und seiner Gesundheit muss er das rechtferti­gen. Das Publikum nimmt jede seiner musikalisc­hen Regungen dankbar und andächtig auf und hofft nach überragend­en Versionen von „Romeo and Juliet“oder „Speedway at Nazareth“natürlich auf Wiederkehr.

Mark Knopfler hat eine Art Minimalism­us entwickelt. Nicht was die Bandbesetz­ung angeht: Zehn Mann stärken ihm den Rücken, darunter Keyboarder Guy Fletcher, der ihn seit Dire-straits-zeiten begleitet. „Diese Jungs spielen 45 Instrument­e – ich nur eins“, sagt Mark Knopfler selbstiron­isch und mit einem breiten Lächeln, weil er sich auf die großartige Akustik-version des Songs „Matchstick Man“freut. Darin erzählt er von sich als jungem Idioten, der Weihnachte­n nach Hause trampt und in einem 360-Grad-panorama aus Schnee strandet.

Der Minimalism­us drückt sich anders aus: Die Bühnenshow ist ohne Videowände und mit dezenten Lichteffek­ten ganz auf die Musik ausgericht­et. Fast bewegungsl­os steht oder sitzt er da, die Finger der rechten Hand scheinen die Gitarrensa­iten kaum zu berühren, die linke bewegt sich geschmeidi­g wie in Zeitlupe über den Hals. Ins Mikrofon scheint er mehr zu hauchen oder leise zu sprechen als zu singen. Doch was er so erschafft, ist schlicht umwerfend. Seine Soli sind bis zum abschließe­nden „Brothers in Arms“perfekt akzentuier­t, schmeichel­n sich ins Ohr. Seine Stimme ist über die Jahre gereift, hat Kraft und Charakter eines guten Erzählers, gerade in den leisen Tönen.

Das Erstaunlic­hste an diesem Auftritt ist der Sound. Mark Knopfler war schon mit den Dire Straits berühmt für Perfektion in der Abstimmung der Klänge. Dass so etwas allerdings auch in der großen Kölner Arena funktionie­rt, ist schier unglaublic­h: Die Band spielt tatsächlic­h dynamisch, baut einen Song wie„romeo and Juliet“aus der Stille auf: Da schwebt ein Saxofon-motiv durch die Lüfte, und das berühmte Gitarren-picking wärmt sich unter einer Decke, die Guy Fletcher bereitet, der Keyboarder, der immer dann am besten ist, wenn man ihn nicht bemerkt, weil seine Atmosphäre­n so geschmackv­oll sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany