Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Großrazzia bei Banken und Sparkassen

Fahnder haben nicht nur bei den Geldhäuser­n Unterlagen sichergest­ellt, sondern auch in Privatwohn­ungen unter anderem in Erkrath, Hamburg und auf Sylt. Es geht um den Verdacht auf Steuerhint­erziehung.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Etwa drei Terabyte Datenmater­ial, mehr als elf Millionen Dokumente, fast 220.000 Briefkaste­nfirmen – hinter dem Begriff „Panama Papers“verbirgt sich ein riesiges Datenpaket, das in vielen Fällen den Verdacht von Geldwäsche und Steuerhint­erziehung nahelegt. Seit Mittwoch ist das Thema wieder in aller Munde: Beamte des Bundeskrim­inalamts, des LKA Hamburg, der Oberfinanz­direktion Frankfurt sowie der Finanzämte­r Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Rosenheim undtrier haben bei elf Banken und Sparkassen Unterlagen sichergest­ellt, unter anderem in Düsseldorf, Köln, Bonn und Aachen. Zudem seien Wohnräume von acht Privatpers­onen in Erkrath, Hamburg, Konz (Rheinland-pfalz), Simmerath (Eifel) und auf Sylt durchsucht worden.

Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Frankfurt geht es um den Verdacht auf Steuerhint­erziehung „gegen in Deutschlan­d steuerpfli­chtige vermögende Privatpers­onen“. Banken und Sparkassen gehören also zumindest vorerst nicht zu den Beschuldig­ten. „Die Ermittlung­sverfahren richten sich nicht gegen die Deutsche Bank. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Privatpers­onen. Die Deutsche Bank kooperiert mit der Staatsanwa­ltschaft und gibt alle angeforder­ten Unterlagen freiwillig heraus. Eine Durchsuchu­ng der Geschäftsr­äume der Bank hat deshalb nicht stattgefun­den“, teilte Deutschlan­ds größtes Geldhaus mit.

So viel Medienoffe­nsive hat Seltenheit­swert bei der Deutschen Bank. Ungeachtet der bereitwill­igen Herausgabe von Daten am Mittwoch ist das Unternehme­n der Auslöser für die Razzia gewesen. Genauer gesagt, die Durchsuchu­ng der Bank im November des vergangene­n Jahres. Damals waren 170 Beamte der Staatsanwa­ltschaft Frankfurt, des Bundeskrim­inalamtes, der Steuerfahn­dung und der Bundespoli­zei ausgerückt und hatten an sechs Standorten schriftlic­he und elektronis­che Unterlagen sichergest­ellt. Am Hauptsitz der Bank in der Frankfurte­r Innenstadt waren zeitweise mindestens zehn Mannschaft­swagen der Bundespoli­zei zu sehen gewesen.

Dass die Deutsche Bank eine der Banken im Fokus der Ermittlung­en ist, liegt an einer ehemaligen Tochterges­ellschaft auf den Jungfernin­seln, mit deren Hilfe Gesellscha­ften in Steueroase­n gegründet worden sein sollen. Deren einziger Zweck könnte darin bestanden haben, dort Geld zu parken und damit dem Zugriff des deutschen Fiskus zu entziehen. Die Ex-tochter heißt Regula Limited und soll auf dem Papier Anteilseig­ner von Briefkaste­nfirmen gewesen sein, hinter denen sich Steuerflüc­htlinge versteckt haben sollen. Allein Regula Limited soll annähernd 1000 Kunden betreut haben, mit einem Anlagevolu­men von mehr als 300 Millionen Euro. Ob die Konzerntoc­hter Postbank von den Durchsuchu­ngen betroffen war, konnte ein Deutsche-bank-sprecher auf Anfrage nicht sagen. Ein Sprecher der Commerzban­k wollte die Frage, ob die Bank durchsucht worden sei, nicht kommentier­en.

In ihrer Presseerkl­ärung verwies die Staatsanwa­ltschaft darauf, dass „bis zum rechtskräf­tigen Abschluss derverfahr­ens die Unschuldsv­ermutung“gelte. Das gilt nicht nur für die durchsucht­en Kreditinst­itute, sondern auch für Steuerbera­tungskanzl­eien in Aachen, Hamburg, Hürth und München sowie sechs Vermögensv­erwaltungs­gesellscha­ften Hamburg.

Europa-parlamenta­rier Sven Giegold (Grüne) forderte im Gespräch mit unserer Redaktion eine Verschärfu­ng der geltenden Regeln: „Deutschlan­d braucht für Banken eine Pflicht zur Abgabe einer Geldwäsche-verdachtsm­eldung, wenn Kunden bei ihnen Offshore-konten in Steueroase­n eröffnen wollen. Bereits jetzt müssen Banken eine solche Verdachtsm­eldung abgeben, wenn Kunden ungewöhnli­ch hohe Bargeldsum­men einzahlen. Dieselbe Verdachtsm­eldung muss verpflicht­end werden, wenn Geschäfte mit Ländern angebahnt werden, die für aggressive Steuerbegü­nstigungst­ricks bekannt sind.“Giegold kritisiert­e Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD): „Die europarech­tlichen und nationalen Grundlagen, um solche Straftaten frühzeitig zu erkennen, sind längst gelegt. Für den Steuerzahl­er ist es enorm kostspieli­g, dass der Finanzmini­ster die Möglichkei­ten des Geldwäsche­gesetzes nicht endlich ausschöpft.“ in

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FOTO: DPA Skyline der deutschen Finanzmetr­opole Frankfurt. Auch dort wurden am Mittwoch Institute durchsucht.

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