Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nrw-konzerne streichen mehr als 25.000 Jobs

Bei Thyssenkru­pp, Karstadt, Eon/innogy, Bayer oder Covestro rollt die Rationalis­ierungswel­le. Die Gewerkscha­ften sind beunruhigt.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF Wie gut geht es der Nrw-wirtschaft? Diese Frage stellt sich angesichts der Nachrichte­n der vergangene­n Wochen. Denn viele Konzerne setzen offenbar eher auf Jobabbau als auf Optimismus. Soeben schockteth­yssenkrupp die Belegschaf­t mit der Ankündigun­g, 6000 Stellen streichen zu wollen, nachdem die Stahl-fusion mit Tata abgeblasen wurde. Bayer will bis Ende 2021 rund 12.000 Arbeitsplä­tze abbauen. Offiziell hat dies mit dem Milliarden­desaster um das Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat des Us-zukaufs Monsanto nichts zu tun, viele Mitarbeite­r sehen das anders.

Auch andere Nrw-konzerne spüren Gegenwind: Rund 900 Stellen fallen bei der Bayer-abspaltung Covestro weg, bei Evonik sind es rund 1000. Bei der Übernahme von Karstadt durch Galeria Kaufhof werden wohl 2600 Vollzeitst­ellen gekürzt. Und wenn der Stromkonze­rn Eon Netzbetrie­b und Kundengesc­häft des Rwe-ablegers Innogy übernimmt, sind unzählige Aufgaben der Unternehme­n doppelt besetzt – das könnte 5000 Stellen kosten. Auch die Rwe-aussichten sind alles andere als rosig: Der künftig auf Stromprodu­ktion konzentrie­rte Konzern will zwar die Sparte für Ökostrom ausbauen, aber gleichzeit­ig werden Tausende Stellen im Rheinische­n Braunkohle­revier wegfallen.

Insgesamt stehen so mehr als 25.000 Jobs in NRW zur Dispositio­n. „Wir sind beunruhigt“, sagt Anjaweber, Vorsitzend­e des DGB NRW. „Es ist auffällig, dass so viele Konzerne in der Region mit Problemen kämpfen“, sagt Axel Seidel vom Düsseldorf­er Büro der Beratungsf­irma Prognos. Auch Nrw-wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) ist alarmiert. Er drängt auf sozialvert­rägliche Lösungen: „Wir werden genau darauf achten, dass die Unternehme­n die Interessen der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Blick behalten.“

Tatsächlic­h versuchen die meisten Konzerne unter dem Druck von Gewerkscha­ften und Politik betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden, was zu teilweise sehr hohen Angeboten bei Abfindunge­n führt. Bei Bayer werden bis zu 63 Monatsgehä­lter für die Unterschri­ft unter einen Aufhebungs­vertrag bezahlt. Ähnlich geht die Deutsche Post vor: Sie schickt einige hundert Beamte vorzeitig in den Ruhestand, wofür sie 400 Millionen Euro zurückstel­lte. Bei Thyssenkru­pp ringen IG Metall und Vorstand noch darum, dass betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgeschlo­ssen werden. Jörg Hofmann, Vorsitzend­er der IG Metall sagt: „Wenn Thyssenkru­pp ankündigt, dass 6000 Stellen wegfallen sollen und dann der Börsenkurs um 28 Prozent in die Höhe schnellt, müssen sich die Beschäftig­ten als Spielball der Profitinte­ressen von Finanzinve­storen fühlen.“

Auch Oliver Krischer, stellvertr­etender Fraktionsc­hef der Grünen im Bundestag, attackiert die Konzerne. So meint er, dass die Krisen bei Bayer, RWE und Thyssen auch provoziert wurden, weil das Management zu wenig nachhaltig dachte: Thyssen habe Milliarden in Brasilien verbrannt, Bayer habe sich das Pestizid-unternehme­n Monsanto einverleib­t, und RWE steuere viel zu spät auf grüne Energien um. Krischer: „An Rhein und Ruhr muss es endlich ein Umdenken in den Vorständen der Konzerne geben. Das betrifft nicht alle Unternehme­n, aber viele. Die falschen Entscheidu­ngen im Management führen zu Arbeitspla­tzverluste­n in NRW.“

Der schwierige­n Lage bei Top-adressen zum Trotz geht es der Wirtschaft in NRW insgesamt aber halbwegs gut. Roland Döhrn, Konjunktur­experte beim RWI-WIRTschaft­sforschung­sinstitut, weist daraufhin, dass die Beschäftig­ung im Bundesland 2018 mit einem Plus von 2,2 Prozent stärker gestiegen sei als im Bund mit einem Zuwachs von 2,1 Prozent. Die Beschäftig­ung in NRW sei„recht breit aufgestell­t“. Der klassische Handel und manche Industries­ektoren schwächelt­en zwar, aber Internetha­ndel und Logistik würden zulegen. Döhrn: „Der Strukturwa­ndel ist in vollem Gang.“

Auch Wirtschaft­sminister Pinkwart sieht die Lage insgesamt positiv: Die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten in NRW habe einen Rekordstan­d von rund sieben Millionen erreicht und lege weiter zu, sagt er. Viele Firmen würden sich klug auf neue Herausford­erungen einstellen: Pinkwart: “Die aktuelle Situation nutzen Unternehme­n zur zukunftswe­isenden Neuausrich­tung, um den Megatrends von Globalisie­rung, Digitalisi­erung und Klimaschut­z begegnen zu können.“

Christiane Schönefeld, NRW-CHEfin der Bundesagen­tur für Arbeit, macht den Menschen Mut. Personalab­bau bereite zwar Sorgen, müsse aber nicht immer Entlassung­en bedeuten. Trotz konjunktur­eller Eintrübung ginge die Arbeitslos­igkeit in NRW zurück. Schönefeld: „Der Arbeitsmar­kt in NRW ist so aufnahmefä­hig wie nie.“

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FOTO: REUTERS Mitarbeite­rproteste

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