Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„9,19 Euro pro Stunde sind nicht üppig“
Der Nrw-sozialminister und Chef des Arbeitnehmerflügels der Union (CDA) über die Mindestlohnkommission und neue Regeln zur Arbeitszeiterfassung.
Wer Paketboten beschäftigt, dem wird künftig genauer auf die Finger geschaut. Wann rechnen Sie mit der Neuregelung? LAUMANN Ich gehe davon aus, dass wir zügig eine gesetzliche Regelung bekommen werden. Die Mehrheit der Länder – unter maßgeblicher Beteiligung vonnordrhein-westfalen – ist schon länger der Meinung, dass da etwas passieren muss. In der Paketbranche gibt es die gleichen Schwierigkeiten wie in der Fleischindustrie. Nur mit einer Generalunternehmerhaftung können wir ausschließen, dass Subunternehmer gegen arbeitsrechtliche Regelungen verstoßen. Es ist ein gutes Signal, dass die Einigung im Koalitionsausschuss noch vor der Europawahl gelungen ist. Wir müssen auch die europäische Freizügigkeit fair gestalten. Arbeitnehmer aus dem europäischen Ausland, die wir von der Pflege bis zur Landwirtschaft dringend brauchen, dürfen wir nicht ausbeuten. Die Paket-dienstleister sind nicht die einzigen, bei denen es immer wieder um die Einhaltung des Mindestlohns geht. Gibt es genug Kontrollen? LAUMANN Wir müssen die Kontrollen noch effizienter gestalten. Wichtig ist aber auch, dass wir die schwarzen Schafe erwischen. Dafür ist die Generalunternehmunghaftung das einzige wirksame Mittel. Die Paketboten werden dann auch garantiert den Mindestlohn erhalten. Ist der aus Ihrer Sicht hoch genug? LAUMANN 9,19 Euro pro Stunde ist nicht üppig. Die CDA ist der Meinung, dass es sich die Mindestlohnkommission zu einfach macht. Die nehmen einfach nur die durchschnittliche Erhöhung aller Löhne und schlagen sie auf den Mindestlohn drauf. Das reicht nicht, und dafür brauchen wir auch keine eigene Kommission. Wir müssen beim Mindestlohn näher hingucken, ob wir nicht zu überproportionalen Steigerungen kommen können, ohne den Arbeitsmarkt kaputt zu machen. Leistung muss sich auch bei Arbeitnehmern mit niedrigen Löhnen lohnen. Alle sollen am Wohlstand teilhaben. Das ist in Deutschland weitgehend gelungen. Es gibt aber immer noch 3,7 Millionen Arbeitnehmer in Vollzeit, die weniger als 2000 Euro Brutto pro Monat verdienen. Deshalb ist auch die Lohnentwicklung beim Mindestlohn wichtig. Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass die Arbeitszeit von Beschäftigten genauer erfasst werden muss. Welche Auswirkungen wird das in Deutschland haben? LAUMANN Wenn wir nichts aufschreiben, können wir auch nichts kontrollieren. Das Aufzeichnen von Arbeitsanfang und Arbeitsende ist wichtig, schon allein, um zu sehen, ob das Unternehmen den Mindestlohn zahlt. Eine Dokumentation der Arbeitszeiten dient auch dem Gesundheitsschutz. Ist das nicht eine Gefahr für die Flexibilität? Viele Mütter und Väter sind froh, wenn sie erst ihre Kinder aus der Kita abholen können und sich dann spätabends noch einmal um Mails kümmern – ohne jede Minute zu notieren. LAUMANN Das ist der Punkt, warum wir in NRW die Initiative Arbeitszeit auf den Weg gebracht haben. In einer digitalisierten Arbeitswelt ist es schwer, Regeln zu schaffen, die für alle handhabbar sind. Unser Arbeitszeitgesetz von 1994 ist auf dem Bau und bei der Montage nach wie vor richtig. In die digitalisierte Welt passt es nicht. Deswegen wäre es vernünftig, Tarifverträge zu schaffen, mit denen man von der Gesetzesnorm abweichen kann. Das könnte auch mehr Arbeitgeber dazu bewegen, sich auf einen Tarifvertrag einzulassen – mit all seinen Vorteilen für die Arbeitnehmer. Angesichts der Performance der großen Koalition in Ber