Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Razzia wegen Autokorso auf A3
Wegen eines Autokorsos bei Ratingen hat die Polizei mehrere Wohnungen im Kreis Wesel durchsucht. Dabei wurden Handys und Computer beschlagnahmt. Eine betroffene Familie kritisiert den Polizeieinsatz.
KAMP-LINTFORT Es ist vier Uhr am Freitagmorgen, als die bewaffneten Polizisten ohne Vorwarnung die Haustür der Familie W. in Kamp-lintfort eintreten. „Die haben nicht geschellt oder geklopft, sondern sind sofort hinein gestürmt, haben mich zu Boden geworfen und mir Handschellen angelegt“, sagt W. Die Polizisten sind wegen seines Sohnes David gekommen, weil der an einem Autokorso einer türkischen Hochzeitgsgesellschaft teilgenommen hat. Die Beamten beschlagnahmen nicht nur sein Handy, sondern auch das seiner anwesenden Freundin, seiner Mutter und seines Vaters. Die Beamten hoffen, darauf Bilder und Videos von dem Autokorso zu finden. Der Sohn sagt allerdings: „Da sind keine drauf.“
Im entsprechenden Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf heißt es, dass gegen sieben Personen (darunter David W.) wegen des Verdachts der Nötigung ermittelt werde. Sie sollen am 22. März gegen 17 Uhr auf der Autobahn 3 bei Ratingen mit einem Ford Mustang, einem Audi R8 Coupé Quattro und einem Porsche Panamera einen sogenannten Burnout hingelegt haben, also die Reifen durchdrehen und quietschen lassen, so dass Reifenspuren in den Asphalt„gebrannt werden“. Dafür mussten sie andere Fahrzeuge des Verkehrs auf der A3 ausbremsen und anhalten. Im Beschluss steht, dass die Polizei deswegen elektronische Speichermedien der Beschuldigten beschlagnahmen darf. „Wir haben uns gefühlt wie Terroristen oder Drogendealer. Der Einsatz war völlig überzogen“, kritisiert W.
Insgesamt durchsuchte die Polizei in dem Zusammenhang am Freitagmorgen zeitgleich sieben Wohnungen in Moers, Kamp-lintfort, Neukirchen-vluyn und Rheinberg. Der Einsatz ging nach Angaben der federführenden Polizei Düsseldorf im Wesentlichen auf die Ermittlungen der Ermittlungskommission (EK) „Donut“zurück. Auch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) kam zum Einsatz. „Hierbei handelt es sich um einverfahren im Zusammenhang mit einem sogenannten Hochzeitskorso auf der A 3 vom 22. März 2019“, bestätigte die Polizei den Beschluss des Amtsgerichtes, in den unsere Redaktion Einblick gehabt hat.
Bei den Verdächtigen handelt es sich laut Polizei um je einen Türken, Deutsch-marokkaner, Marokkaner, Deutsch-polen, Deutsch-kosovaren und Tunesier.
ANALYSE
Die Polizei hält die getroffenen Maßnahmen nicht für überzogen. „Wir hatten in dem Fall Hinweise, dass ein Bewohner im Besitz einer Waffe sein könnte – daher rückte dort das SEK mit an“, erklärte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei. Demnach seien so gut wie alle Verdächtigen polizeibekannt „etwa wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie wegen Gewaltdelikten“. Diverse Speichermedien, Mobiltelefone und Computer stellten die Beamten sicher. Zudem fanden die Ermittler Betäubungsmittel (Marihuana) und mutmaßlich illegale Medikamente (Testosteron).
Hochzeiten seien Situationen im Leben, die gefeiert werden sollten, meint Düsseldorfs Polizeipräsident Norbert Wesseler „Wer jedoch meint, Autobahnen zu blockieren und dadurch andere in Lebensgefahr zu bringen, muss damit rechnen, dass wir als Polizei konsequent gegen ihn vorgehen werden“, so der Polizeipräsident. Die Polizei werde mit allen rechtsstaatlichen Mitteln daran arbeiten, „die Verantwortlichen buchstäblich aus demverkehr zu ziehen“, sagte Wesseler.
Immer wieder eskalieren türkische Hochzeitsfeiern in NRW. Mehr als 120 Einsätze zählte die Polizei in den vergangenen Wochen. Die „Hochzeits-blockade“auf der A 3 diente anderen Gesellschaften offenbar als Vorbild. Ein Polizist, der anonym bleiben möchte, sagte unserer Redaktion: „Seitdem stellen wir fest, dass sie einander nacheifern.“Das Innenministerium lässt nun ein entsprechendes polizeiliches Lagebild erstellen. Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte bereits an, konsequent gegen ein solches Verhalten vorgehen zu wollen.
Auch zu Jasmin Z. (Name geändert) und ihrem Bruder in Moers kam die Polizei am Freitagmorgen. Bei den beiden klingelten sie aber an. „Die Polizei wollte meinen Bruder sprechen wegen des Hochzeitskorsos“, sagt Jasmin. Er sei aber schon arbeiten gewesen. Mitgenommen hätte die Polizei nichts. Sie wundere sich, dass die Polizei wegen so einer Sache überhaupt käme. „Das war eine Hochzeitsfeier, auf der mein Bruder war. Die sind auf der Autobahn im Korso rechts rangefahren auf den Standstreifen, mehr war da nicht“, behauptet sie.
W. versteht nicht, wieso überhaupt gegen seinen Sohn ermittelt wird. „Er saß in einem der hinteren Fahrzeuge, einer Mercedes E-klasse, als Beifahrer mit Anzug und Krawatte“, sagt W. „Das war die Hochzeit seines besten Freundes.“