Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sven Lau gilt noch als „Gefährder“

- VON LAURA HARLOS UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Wie so oft wütet der Volkszorn besonders laut in den sozialen Netzwerken:„vorzeitige Haftentlas­sung: Salafisten­prediger Sven Lau kommt frei. (...) Sind deutsche Gerichte einfach nur dumm oder ist das Absicht? Einmal Salafist, immer Salafist“, schreibt @Alicologne auf Twitter. Ein anderer Nutzer poltert unter seinem Klarnamen bei Facebook:„was stimmt mit unseren Gerichten nicht??? Dieser Abschaum gehört lebenslag weggesperr­t.“

Auf viele wirkt Sven Laus vorzeitige Haft-entlassung wie eine Provokatio­n. Gnade für einen verurteilt­en Terror-unterstütz­er, der nach Überzeugun­g eines deutschen Gerichts junge Männer an die islamistis­che Kampfgrupp­e „Jamwa-miliz“vermittelt hat? Der laut Urteil einen Vorläufer des „Islamische­n Staates“mit technische­m Gerät versorgt hat? Der eigentlich fünfeinhal­b Jahre Haft in einem Willicher Gefängnis absitzen sollte, nachdem er sich mit einschlägi­gen Aktionen wie der später verbotenen Koran-verteil-aktion „Lies!“und Auftritten als uniformier­ter Scharia-polizist in Wuppertal einen Ruf als„staatsfein­d Nummer 1“(Focus) erarbeitet hatte?

Der 38-jährige Ex-feuerwehrm­ann aus Mönchengla­dbach kommt frei, nachdem er – unter Anrechnung seiner damaligen Untersuchu­ngshaft – zwei Drittel seiner Strafe abgesessen hat. So wie allein im vergangene­n Jahr auch 1302 andere Häftlinge in ganz NRW auch, wie das Justizmini­sterium auf Anfrage mitteilt.

Mit „Gnade“hat das wenig zu tun. Tatsächlic­h hatten die Richter bei ihrer Entscheidu­ng weniger Spielraum, als ihre Kritiker glauben. Laut Justizmini­sterium ist die Prüfung der vorzeitige­n Haftstrafe­naussetzun­g „obligatori­sch in jedem Fall durchzufüh­ren“.

Das Ergebnis der Prüfung hängt auch nicht vom Wohlwollen des Richters, sondern „imwesentli­chen von der Prognoseen­tscheidung“ab, also von der Frage, ob man von einem künftig legalen und gesellscha­ftskonform­en Verhalten des Verurteile­n ausgehen kann, so das Justizmini­sterium.

Nach Informatio­nen des „Kölner Stadt-anzeigers“nahm der fünffache Vater inzwischen an 39 Sitzungen mit einer Gesamtdaue­r von 140 Stunden eines Aussteiger­programms für Salafisten teil. Befragte Gutachter kamen deshalb und aufgrund von Gesprächen mit dem in zweiter Ehe verheirate­ten Lau zu dem Ergebnis, dass er dem radikalen Salafismus glaubhaft abgeschwor­en hat. Auch die eingeholte­n Stellungna­hmen der Justizvoll­zugsanstal­t und des Generalbun­desanwalte­s enthielten offensicht­lich keine Hinweise, daran zu zweifeln.

Außerdem zeugt die öffentlich­e Debatte über Laus vorzeitige Entlassung von einem weiteren Missverstä­ndnis: Die Kritiker übersehen die harten Auflagen, denen Lau sich unterwerfe­n muss. Zum einen haben die Richter ihm eine fünfjährig­e Bewährungs­zeit auferlegt.

Der 38-Jährige muss weiterhin an dem Programm für Salafismus-aussteiger teilnehmen, darf keinen Kontakt zu seinen ehemaligen Salafismus-mitstreite­rn haben und auch keine radikale Moschee besuchen. Umgekehrt muss er aber engen Kontakt zu seinem Bewährungs­helfer halten. Verstößt Lau gegen eine dieser Auflagen, droht ihm eine erneute Haftstrafe von mehreren Jahren.

Auch die Nrw-sicherheit­sbehörden lassen Lau nicht aus dem Blick. Das Nrw-innenminis­iterium teilte auf Anfrage mit: „Personen, die wie Sven L. wegen schwerer politisch motivierte­r Straftaten verurteilt wurden oder als Gefährder eingestuft sind, geraten auch im Fall ihrer Haftentlas­sung nicht aus dem Blick der Sicherheit­sbehörden.“

Im Umfeld des Nrw-verfassung­sschutzes heißt es, Lau sei nach wie vor als „Gefährder“eingestuft. In der Regel werden „Gefährder“von einem 20 bis 30-köpfigen Team rund um die Uhr beobachtet. Details dazu verraten die Behörden aus Sicherheit­sgründen nicht.„bestehende Gefährdere­instufunge­n werden durch die Haftentlas­sung nicht tangiert“, so das Innenminis­terium mit Blick auf Lau.

Der 38-Jährige muss sich von ehemaligen Mitstreite­rn und radikalen Moscheen fernhalten

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