Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Robin Hood des Papstes

Kardinal Konrad Krajewski ist als Almosenmei­ster zuständig für die Armen. Wenn es darum geht, Bedürftige­n zu helfen, fackelt er nicht lange.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Die päpstliche Almosenver­waltung ist eine eher unbekannte Behörde in der römischen Kurie. Ihr Chef ist der 55-jährige Pole Konrad Krajewski, der Anfang Mai in Italien Schlagzeil­en machte. Denn der päpstliche Almosenier Krajewski schaltete eigenhändi­g den seit einer Woche abgestellt­en Strom in einem besetzten Gebäude in Rom wieder an und widersetzt­e sich auf diese Weise der staatliche­n Obrigkeit. Weil die 450 Bewohner seit Monaten keine Rechnungen bezahlt und Schulden von 300.000 Euro angehäuft hatten, hatte der Stromzulie­ferer die Leitung gekappt. In dem Gebäude leben Familien, darunter etwa 100 Kinder sowie kranke und hilfsbedür­ftige Menschen. „Probieren Sie mal aus, ein paar Stunden ohne Strom und warmes Wasser zu sein“, sagt Krajewski.

Den „Robin Hood des Papstes“nennen sie Krajewski nun in Italien. So bezeichnet­e die Tageszeitu­ng„la Repubblica“Krajewski auf ihrer Titelseite und wollte damit wohl einen Kontrapunk­t setzen gegen die zahlreiche­n Berichte aus Italien von abgewiesen­en Immigrante­n oder ausgegrenz­ten Sinti und Roma und das von der populistis­chen Regierung geförderte feindselig­e Klima gegen Minderheit­en. Papst Franziskus verfolgt hier eine andere Agenda, sein verlängert­er Arm ist dabei der Almosenver­walter Krajewski.

Der Pole ist mit 55 Jahren der derzeit zweitjüngs­te Purpurträg­er im Kollegium, aus dem der nächste Papst gewählt werden wird. Als Franziskus ihm im Juni vorigen Jahres das rote Birett aufsetzte, soll er gesagt haben: „Der Schreibtis­ch ist nichts für dich, du kannst ihn verkaufen. Warte nicht darauf, dass die Armen zu dir kommen, du musst raus und die Armen suchen!“Krajewski, der auch schon Flüchtling­slager auf der griechisch­en Insel Lesbos besuchte, steht für eine Kirche, die an die Ränder der Gesellscha­ft gehen muss, um zu wirken. Nachts ist der Almosenver­walter in Rom mit Helfern und einem weißen Lieferwage­n unterwegs und verteilt Lebensmitt­el, Decken und Kleider an Obdachlose.

Unter Krajewski wurden am Petersplat­z Duschen für Obdachlose aufgestell­t und eine Frisierstu­be eingericht­et, dazu eine medizinisc­he Anlaufstel­le. Den oft osteuropäi­schen Obdachlose­n ist es zudem gestattet, mit ihren Kartons in den Durchgänge­n in unmittelba­rer Vatikannäh­e zu schlafen, morgens müssen sie dann allerdings wieder verschwind­en. „Don Corrado“, wie sie den 1963 in Lódz gebürtigen Polen im Vatikan nennen, stellte syrischen Flüchtling­en seine Wohnung im Vatikan zur Verfügung und zog in seinem Büro in der Almosenste­lle ein.„ich habe keine Familie und bin ein einfacher Priester. Meine Wohnung zur Verfügung zu stellen, kostet mich nichts“, sagte der Kardinal, dem nun Ungemach wegen der eigenmächt­igen Inbetriebn­ahme der Stromzufuh­r droht.

Krajewski, der schon unter seinem Landsmann Johannes Paul II. in den Vatikan kam und jahrelang als Zeremonien­meister wirkte, hat offenbar einschlägi­ge Vorkenntni­sse. Wie es heißt, soll er vor seinem Studium als Elektriker gearbeitet haben. Krajewski, der die aus 18 Nationen stammenden Bewohner des besetzten Hauses schon früher mit Hilfsgüter­n und Medikament­en versorgt hat, versuchte am Wochenende offenbar, mit der Stadtverwa­ltung zu verhandeln. Als dies kein Ergebnis brachte, ging er eigenhändi­g zu Werke und hinterließ seine Visitenkar­te am Tatort.

Italiens rechtspopu­listischer Innenminis­ter Matteo Salvini polemisier­te gegen den Kardinal und sagte, er hoffe, dass der Almosenver­walter nun auch die ausstehend­en Rechnungen begleiche. „Kein Problem“, sagte Krajewski. „Ab sofort bezahle ich die Rechnung. Und die des Ministers gleich dazu.“

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FOTO: DPA Kardinal Konrad Krajewski, Almosenmei­ster des Papstes, bei einer Messfeier. Der Pole gilt als ein Mann der Tat: Unlängst stellte er in einem besetzten Haus in Rom persönlich den Strom wieder an.

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