Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Packendes Drama um Pflegerin

Eine Altenpfleg­erin soll drei Patienten getötet haben, um sich zu bereichern. Doch beweisen können ihr die Stuttgarte­r Kommissare Lannert und Bootz im „Tatort“-fall „Anne und der Tod“lange Zeit nichts.

- VON CHRISTIAN SIEBEN

STUTTGART Nach Jahren der eher gediegenen Mittelmäßi­gkeit entwickelt sich der Stuttgarte­r „Tatort“langsam zum Highlight am Sonntagabe­nd. Der neue Krimi „Anne und der Tod“dürfte schon jetzt zu den besten Folgen des Jahres gehören.

Dabei scheint schon zu Beginn des Falls alles klar zu sein. Die Altenpfleg­erin Anne (Katharina Marie Schubert) hat drei alte, sehr kranke Männer umgebracht. Das erste Opfer war ein ans Bett gefesselte­s Scheusal, das seine Familie terrorisie­rte und die Pflegerin sexuell bedrängte. Sohn und Schwiegert­ochter feierten kurze Zeit nach dem Todesfall ein rauschende­s Fest. Das zweite Opfer war seiner tyrannisch­en Frau schutzlos ausgeliefe­rt und lag den ganzen Tag einsam im Bett. Der dritte Patient trank trotz Leberzirrh­ose weiter Wodka aus der Flasche und versank unrettbar im Kummer über sein gescheiter­tes Leben.

Die drei Männer starben kurz nach einem Hausbesuch von Pflegerin Anne. Schon vor einigen Jahren stand sie einmal unterverda­cht. Damals wurde allerdings schlampig ermittelt. Doch jetzt liegen die Dinge scheinbar auf der Hand. Eigentlich müssen die Stuttgarte­r Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) nur noch die Frage klären, ob die Patienten aktiv um Sterbehilf­e gebeten hatten, und ob Anne für ihr Tun Geld nahm. Die Ermittler können der Pflegerin aber nichts beweisen, die Todesursac­hen lassen sich nicht mit Sicherheit feststelle­n. Alle Opfer nahmen starke Medikament­e. Hinweise auf körperlich­e Gewalt gibt es nicht. Und Anne kann jede Frage der Kommissare beantworte­n.

Sie tut dies gelassen und stets mit einem Lächeln. Zwar steht die alleinerzi­ehende Mutter unter großem finanziell­en Druck. Das Auto ist kaputt, die Wohnung zu klein, der pubertiere­nde Sohn klaut Kreditkart­en, um sich teure Kleidung zu kaufen. Doch Anne bleibt imverhör entspannt. Ihre Chefin beschreibt sie als freundlich, korrekt und einfühlsam. Auf dem Handy der Pflegerin befinden sich keine verdächtig­en Nachrichte­n. Als sie dann noch beweisen kann, dass der mysteriöse Erzeuger ihres Sohnes die Familie regelmäßig mit Bargeld versorgt, müssen sich die Kommissare eingestehe­n, dass sie Anne vielleicht wieder laufen lassen müssen.

Wie schon im vergangene­n Stuttgarte­r Fall „Der Mann, der lügt“fesselt die komplizier­te Suche nach der Wahrheit den Zuschauer über die gesamten 90 Minuten. Autor Wolfgang Stauch und Regisseur Jens Wischnewsk­i setzen dabei auf Zeitsprüng­e und Perspektiv­wechsel, ohne den Film jedoch zu verkünstel­n oder die Intensität zu mindern. Die schwierige­n Bedingunge­n in der Pflegebran­che werden in kurzen Szenen prägnant geschilder­t, ohne das leider allzu bekannte Thema zu sehr auszuwalze­n. Die Rolle der Anne wurde mit Theatersch­auspieleri­n Katharina Marie Schubert herausrage­nd besetzt. Der Zuschauer wird bis zum Ende nicht schlau aus ihrer Figur. Die tatsächlic­he Auflösung des Falls ist erschütter­nd – wenn auch aus anderen Gründen, als der Zuschauer lange vermutet.

Schon vor der Ausstrahlu­ng wurde „Anne und der Tod“mit dem Baden-württember­gischem Filmpreis ausgezeich­net. Die Jury lobte den Stuttgarte­r Krimi als„durchweg packend“und von„großer Sensibilit­ät“. Dem ist tatsächlic­h nichts hinzuzufüg­en. „Tatort: Anne und der Tod“, Das Erste, So. 20.15 Uhr

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FOTO: SWR Krankensch­wester Anne (Katharina Marie Schubert) steht unter Druck, Sohn Julian (Jean-luc Caputo) macht mit teuren Wünschen alles noch schlimmer.

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